Zwei Jahre sind vergangen seit der ersten Auflage von „Agiles Arbeiten im Unternehmen“. Viel hat sich seitdem getan. Während „damals“ Agilität für den Management- und insbesondere den Personalbereich noch etwas ganz Neues dargestellt hat, droht aktuell die Buzzword-Welle den Kern des Gedankens zu übertünchen. Genau der richtige Zeitpunkt für mein neues Buch agile Arbeit für Unternehmen konkret zu machen. Zu der Neuauflage, die weit über den üblichen Nachdruck mit kleinen Änderungen hinausgeht, hat mich die Doppel(t)spitze interviewt:
DS: Was ist grundlegend „neu“ an der Neuauflage?
Britta Redmann: Agiles Arbeiten hat sich in Unternehmen weiter entwickelt und tangiert – dies wird in der Praxis immer deutlicher – ganz viele arbeitsrechtliche Aspekte. Deswegen ist die erste Änderung auch direkt im Titel ersichtlich: „Agile Arbeit rechtssicher gestalten“ – trifft es hier konkret, um was es geht. Was viele beschäftigt und ich daher im Buch besonders aufgenommen habe: wie es Unternehmen gut gelingt, sich von einer herkömmlichen Organisation zu einer agilen Organisation zu entwickeln. Stichwort: agile Transformation. Auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nimmt bei agilen Themenstellungen einen zunehmend wichtigen Stellenwert ein. So beleuchte ich in der Neuauflage z.B. das Thema, wie eine „agile“ Mitbestimmung mit dem Betriebsrat möglich sein kann und was es dafür braucht. Auch tarifliche Besonderheiten bezogen auf eine möglichst bewegliche Gestaltung von Arbeitszeiten oder auch Arbeitsorten, wie z.B. mobile Arbeit, sind hier berücksichtigt. Wenn auch nicht direkt „agil“ aber doch ein aktuelles Thema mit dem sich vielleicht eher agile Unternehmen beschäftigten, ist das Thema „NewPay“ und der Umgang z.B. mit transparenten Gehältern – was heißt das kulturell und aber auch arbeitsrechtlich? Und letztendlich enthält das Buch diesmal Muster wie z.B. für Betriebsvereinbarungen genauso wie noch neue Interviews und auch Expertenbeiträge dazu gekommen sind.
DS: Du hast in der ersten Auflage bereits Kompetenzen von Personalern und Führungskräften in den Fokus gestellt – welche neuen Erfahrungen hast Du hier gesammelt?
Britta Redmann: Die Bewältigung – und vor allem auch die gemeinsame Bewältigung – dieser Veränderung in der Arbeitsbeziehung zwischen Unternehmen, Mitarbeitenden und auch Betriebsräten stellt gerade das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen. Unser Arbeitsrecht stammt aus einer Zeit, da war die Idee der Agilität noch gar nicht in der Welt. Das heutige Arbeitsrecht enthält keine Elemente, welche besonders für Agilität entwickelt worden sind. Kompetenzen sind ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor für agile Zusammenarbeit und zwar bei allen: Geschäftsführen genauso wie bei Betriebsräten, Personalern, Führungskräften wie Mitarbeitern. Dabei kommt es aus meiner Sicht neben einer fachlichen Expertise vor allem auf eine entsprechende offene und vertrauensgebende Haltung an. Eine goße agile Gestaltungsfreiheit verlangt von allen betrieblichen Akteuren daher einen Mix besonderer Emotionen und Eigenschaften: Mut, Pioniergeist und mehr Kreativität zum Ausprobieren von praktischen Lösungen.
DS: In Sachen Arbeitszeit hat sich viel getan – manch einer glaubt, dass es mit dem EUGH Urteil hier eher eine Schritt zurück Richtung Kontrolle und Fixierung geht. Wie siehst Du das?
Britta Redmann: Das Urteil hat wirklich für viel Wirbel gesorgt und wird kontrovers von Arbeitgebervertretern, Gewerkschaften und Beratern diskutiert: Bedeutet das Urteil gar das Ende von flexibler Arbeitszeit, agilem Arbeiten und dem zarten Pflänzchen NewWork, was sich langsam in unseren Unternehmen verbreitet? Müssen Start-ups Einbußen befürchten, weil eine strikte Arbeitszeiterfassung nicht zu ihrer Arbeitskultur passt? Bewegen wir uns eher weg von einem „selbstorganisierten“ Mitarbeiter, hin zu einem „rundum-sorglos-Schutz“ für Arbeitnehmer? Und welche Auswirkungen hat das auch für unsere Wirtschaft, wenn Unternehmen anstatt mehr unkomplizierte Flexibilisierung zu ermöglichen, an einem bürokratischen Zeiterfassungsmonster ersticken und daher lieber die Finger von einer anpassungsfähigen und damit auch beweglichen Arbeitszeit lassen?
Viele Fragen also – und es wird wohl noch eine geraume Zeit dauern, bis wir hier klare Rechtssicherheit haben werden. Bis dahin, braucht es trotzdem tragfähige rechtlich stabile Lösungen.
DS: Mit „Learning by Doing“ beschreibst Du eine agile Arbeitsmethode – „einfach machen“ nennen es andere. Dies wird aber auch immer wieder als blinder Aktionismus Richtung selbstorgansiertes Chaos kritisiert. Was stimmt denn nun?
Britta Redmann: Agilität ist kein Selbstzweck und braucht – um erfolgreich wirken zu können – einen ganz klaren Orientierungsrahmen. Der Kunde und das Produkt spielen hier eine sehr zentrale Rolle. Agilen Methoden wie z.B. Scrum oder Design Thinking ist gemeinsam, dass sie Komplexität reduzieren und Transparenz schaffen. Zudem fördern die meisten eine schnelle Teilung von Wissen und unterstützen ein vernetztes miteinander arbeiten. Dadurch werden Vorgänge, Prozesse, Ergebnisse, Kommunikation und Wissen durchsichtig. All das soll dem Kunden und dem Produkt nutzen und Chaos und einfach ziellos drauf losmachen genau vermieden werden.
DS: Gibt’s in der 2. Auflage neue Unternehmensbeispiele?
Britta Redmann: Es gibt jetzt insgesamt 13 Unternehmensbeispiele, darunter neu z.B. von von ReweDigital und der VEDA GmbH als auch weitere Expertenbeiträge wie zu einer agilen Mitbestimmung von Sandra Bierod-Bähre und zu einem agilen Personalmanagement von Frank Edelkraut.
DS: Und weil ja nicht alles Alte schlecht oder überholt ist: auf welchen Tatbestand bist Du besonders stolz, der nach wie vor topaktuell ist?
Britta Redmann: Dass das Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten so stark in den Fokus bei Unternehmen und Mitarbeitenden gerückt ist, hat mich echt überrascht. Und gerade hier zeigt sich, dass für eine größere Flexibilität es auf die arbeitsrechtlichen Feinheiten ankommt. Je weitreichender Unternehmen agil zusammenarbeiten so stärker wirkt sich das auf alle Strukturen aus. Das betrifft immer noch alle angesprochenen Themen im Buch, wie u.a. Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Zusammenarbeit, Arbeitsverträge, Methoden oder auch die Kommunikation. Insbesondere betrifft es aber auch die „heiligen Kühe“ wie individuelle Zielvereinbarungen und Leistungsbeurteilungen. Hier bedarf es neuer agiler Ansätze im Performance Management, die noch weiter auszubauen sind.
DS: Dein „Werbeblock“: warum brauchen wir alle die 2. Auflage Deines Buchs?
Britta Redmann: Unternehmen benötigen in Zeiten von New Work, Digitalisierung, Industrie 4.0 und Sinnverwirklichung eine Arbeitskultur, die Zusammensein und Erfolg miteinander vernetzt und wesentlich facettenreicher als bisher ist. Wer klare Antworten auf die rechtliche Einordnung von NewWork, Arbeiten 4.0 und agiler Zusammenarbeit sucht, wird hier fündig. Für diese agilen Formen gelten aber nach wie vor gesetzliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Mein Buch zeigt auf, wie weit der unternehmerische Spielraum reicht, wo die Chancen und Grenzen unseres Arbeitsrechts liegen und wie sich Unternehmen durch die Gestaltung ihrer Kultur sowohl zukunftstauglich, aber gleichzeitig auch rechtssicher aufstellen können.
Herzlichen Dank fürs Interview, liebe Britta, und jetzt sind wir gespannt auf die agile Fortsetzung Ende November 2019. Hier schon einmal der Link:
https://shop.haufe.de/prod/agile-arbeit-rechtssicher-gestalten