Generation Z und Ehrenamt - Britta Redmann

GenZ und Ehrenamt – Perfect Match oder Nullsummenspiel?

Inhalt

Der Gen Z werden ja viele Eigenschaften zugesprochen. Sie sind diejenigen, die den Arbeitsmarkt revolutionieren als Digital Natives. Es sind diejenigen, die digitale Kommunikation quasi bereits im Mutterleib erlebt haben. Gleichzeitig sind sie aufgewachsen in Zeiten des Klimawandels und in einer Arbeitswelt, die kaum Luft zum Atmen lässt. Sie selbst suchen nach dem Sinn des Lebens (und der Arbeit). Ihnen sind Werte wie Gemeinschaft und Nachhaltigkeit wichtig, umgekehrt war billiger Konsum dank Onlineshopping noch nie so einfach. Sie wollen Karriere machen, ihnen stehen mehr Jobs als je zuvor offen (zumindest den kreativen Jobbezeichnungen nach zu urteilen) und gleichzeitig ist der Job nur ein Teil des Lebens neben chillen, reisen, „work-from-anywhere“ und „was mit Menschen“.
Genug der Vorurteile und Stereotype. Was mich interessiert: Ist in einem solchen Leben noch Platz für das Ehrenamt? Passt das zu einer Work-Life-Balance heute und in Zukunft?

Zeit für´s Ehrenamt

Die Frage stelle ich mir nicht alleine. Zumindest verspricht das ein Forschungsprojekt der Universität Kiel, auf das ich gestoßen bin. Zum Hintergrund:
Das Ehrenamtsbüro in Kiel vermeldet eine hohe Anzahl an jungen Engagierten. „Die meisten von Ihnen“, so die Leiterin des nettekieler Ehrenamtsbüros Alexandra Hebestreit, „studieren und sind zwischen 20 und 30 Jahren alt. Innerhalb der Universität können wir beobachten, dass Studierende sich zwar sehr gerne und immer häufiger engagieren, dies allerdings oft ausschließlich innerhalb der universitären Grenzen.“ Hier verfolge das gemeinsame Projekt eine stärkere Vernetzung universitärer und außeruniversitärer Ehrenamtsstrukturen und einen Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft.
Solche Projekte sind so wichtig – denn es stimmt keinesfalls, dass junge Menschen sich weniger engagieren, weil sie mehr Zeit zum Leben (oder für sich) haben wollen. Sie wollen weniger in festen Jobstrukturen arbeiten eben genau um sich ehrenamtlich zu engagieren. Das hat auch eine Umfrage der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) gezeigt. Feuerwehr, Sportverein, Pfadfinder, Einkaufshilfe für Senior:innen – die Tätigkeiten junger Menschen sind extrem vielfältig.
Wer sich freiwillig engagiert, merkt schnell: Jede und jeder Einzelne macht einen Unterschied und gestaltet die Gesellschaft mit. Genau diese Erfahrung sollen alle jungen Menschen machen können, denn sie stärkt das Gemeinschaftsgefühl und damit unsere Demokratie. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: sie macht junge Menschen früh teamfähig und führungskompetent.

Ehrenamt passt sich dem Leben an

Darum ist es so wichtig, dass wir Ehrenamt als „Jobbestandteil“ mitdenken. Denn das gerade erwähnte Engagement in jungen Jahren – schätzungsweise zwischen 12 und 18 Jahren – bröckelt zusehends, wenn es Richtung Schulabschluss, Ausbildung, Studium und Jobeinstieg geht. Weil einfach neben dem klassischen 40-oder mehr-Stunden-Job keine Zeit mehr bleibt.
Wir haben quasi keine Ehrenamtler zwischen 25 und 65 Jahren. Das mag überspitzt formuliert sein – aber die Tendenz stimmt.
Wenn wir uns neben dem Vollzeitjob um Kinder und Eltern kümmern, dann ist das Care-Arbeit genug. Es wird nur leider kaum als Ehrenamt angesehen, auch wenn es viele Züge davon hat. Wenn wir unsere Zeit frei einteilen könnten – wäre die Verteilung auf die Bausteine bezahlte Jobs, unbezahlte Jobs und Erholung dann nicht fairer? Wer überhaupt definiert, was wozu gehört? Ist Erziehung ein Job oder ein Ehrenamt oder ein Hobby? In einer Welt, in der sich Arbeit und Freizeit nicht trennen lassen, vermischen sich auch alle anderen Bausteine. Das ist komplex, aber genau so wird es gut – dann macht Arbeit Sinn. Jede Arbeit!

Ehrenamt als Lernfeld

Zurück zur GenZ. Was kann sie aus ehrenamtlichem Engagement lernen?
• Junge Menschen lernen ihre Stärken kennen, in dem sie ein bestimmtes Feld ehrenamtlichen Engagements für sich auswählen.
• Sie lernen generationenübergreifend zu handeln und zu kommunizieren – ganz ohne teures Coaching.
• Sie lernen Menschen anderer Milieus kennen – man nennt es nur nicht „raus aus der Komfortzone“.
• Sie werden wertgeschätzt – ohne sie „läuft es nicht“. Sie lernen umgekehrt wertzuschätzen. Jedes Lob zählt. Es muss nur ausgesprochen werden.
• Sie können mitbestimmen, mitgestalten und selbst entscheiden. Sie erleben Freiheit und Verantwortung.
Man merkt es schon, oder? Alles Fähigkeiten, die in unserer Arbeitswelt immens wichtig sind. Alles Kompetenzen, die wir Führungskräften zuschreiben bzw. von denen wir wissen, dass sie Führung viel mehr ausmachen als fachliche Kompetenzen. Kompetenzen, an den es den „Karriere-Leadern“ oft mangelt.
Der Freiwilligendienst als ein Baustein im Lebenslauf ist sicher ein guter Schritt. Aber ich glaube da geht noch mehr. Wenn uns das Ehrenamt immer als kleiner Baustein im Arbeitsleben begleitet, dann haben wir immer ein Regulativ zu unserem Job, zu unserem Alltag.

Ehrenamt als Reverse Mentoring

Ehrenamtliche Strukturen können von Manager:innen immens viel lernen in Sachen Organisation, Buchhaltung, Prozessoptimierung und Projektplanung.
Umgekehrt können Manager:innen und „Büroarbeiter:innen“ unglaublich viel lernen aus den ehrenamtlichen Tätigkeiten, zum Beispiel Spontanität, Emotionalität, Mangel, Hilfsbedürftigkeit, Dankbarkeit, Frustration…
Ehrenamtliches Engagement ist eine Frage der Zeit. Nicht nur ob wir neben dem Job genug Zeit dafür haben, sondern auch, in welchem Abschnitt unserer jeweiligen Lebenszeit wir uns gerade befinden. Für gute und stabile ehrenamtliche Strukturen müssen wir beides berücksichtigen und Zeiten schaffen.

Ich bin schon häufiger gefragt worden, wie mein Interesse an HR mit dem am Ehrenamt zusammenpasst. Das Forschungsprojekt der Uni Kiel hat mich dazu gebracht, das selbst noch einmal zu überdenken. Die Vielzahl der Parallelen, die ich gerade zwischen der Arbeit an meinem Buch „lebensphasenorientiertes Leadership“ und „Erfolgreich führen im Ehrenamt“ gefunden habe, haben mich selbst überrascht und bestärkt.

Megatrends pro Ehrenamt

Das Ehrenamt ist ebenso wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche von zwei Megatrends betroffen: der Digitalisierung und dem demografischen Wandel. In den letzten Jahren haben sich zwar immer mehr Menschen engagiert, doch die werden im Durchschnitt auch immer älter.

„Von unten“ aus den jungen Generationen wachsen immer weniger Menschen in ehrenamtliche Strukturen hinein – allein aufgrund sinkender Geburtenraten. Das Ehrenamt ist also doppelt gefährdet: es wird älter und damit wenig innovativ. Das umgekehrt macht es dann auch wenig attraktiv für die GenZ – zumindest als Lernfeld.
In Sachen Leadership sieht das ähnlich aus. Wer will Führungsverantwortung übernehmen, wenn die Zeitinvestition die monetären Chancen auffrisst? Wenn statt beruflicher Erfüllung Demotivation und Isolierung die Folge sein können?
Umgekehrt macht eine weiterer Trend Hoffnung. Nämlich die Transformation der Arbeitswelt: New Work.

Wenn wir heute und in Zukunft flexibler arbeiten können und dürfen, dann macht das Platz für zusätzliche Tätigkeiten. Die wird eben längst nicht mit den eingangs erwähnten „chillenden“ Tätigkeiten gefüllt. Sondern auch mit ehrenamtlichen Tätigkeiten.
• Eltern, die mehr Zeit haben, können in den Sportvereinen ihrer Kinder unterstützen. Die Erfahrungen hieraus bringen sie mit ins Büro und das ist viel mehr wert als ein weiteres Meeting zwischen 18 und 19 Uhr.
• Jobeinsteiger:inen können ihr Engagement in Vereinen, in der Jugendarbeit oder in der Pflege weiterführen und können der nächsten Generationen Jobimpulse geben und der älteren Generation Tipps zum Umgang mit dem Smartphone.
• Die Kollegin, die eine absolute Pferdenärrin ist, hat Zeit für den Ausritt und engagiert sich auf dem Gnadenhof. Ihre Stories zum Intro ins nächste Meeting sind allemal inspirierender als das x-te Businessspiel.
• Der Abteilungsleiter aus der Etage 3 kocht immer dienstags für´s Team, weil er in seiner Freizeit mit jungen Flüchtlingen eine Schrebergartenanlage bewirtschaftet.

Fazit

Das mag alles ein wenig idealistisch klingen – aber das ist es, was die GenZ von einer Arbeitswelt der Zukunft erwartet. Ich finde das darf sie auch! Denn es geht um nicht weniger gutes Zusammenarbeiten, um gesellschaftliche Verantwortung und um Arbeit mit Sinn, die auch noch Spaß macht. Und dann wird sogar Führung wieder attraktiv. Im Ehrenamt und im bezahlten Job!
Lebensphasenorientierung ist die Orientierung an Bedürfnissen. Die haben Menschen im Job und im Ehrenamt. Das gegenseitige voneinander und miteinander Lernen ist ein großer Schritt in Richtung Vereinbarkeit und Verständnis. Es ist meines Erachtens einer der Schlüssel zu Chancengleichheit.

Quellen/Hinweise:

https://idw-online.de/de/news808252
https://jugendhilfeportal.de/artikel/engagement-junger-menschen-generation-z-auch-in-der-krise-besser-als-ihr-ruf
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-39713-5
https://shop.haufe.de/prod/lebensphasenorientiertes-leadership/E10860

Nach oben scrollen