Rethinking HR - Mitarbeiterführung und Personalmanagement neu denken

Quo vadis HR?

Inhalt

Mitarbeiterführung und Personalentwicklung sind nicht delegierbare Führungsaufgaben. Leider ist es in vielen Unternehmen passiert, dass durch die Schaffung von HR- und PE-Funktionen diese besondere Führungsverantwortung von den eigentlichen Führungskräften an diese HR- oder PE-Funktionsbereiche vollständig abgegeben wurde. Die Führungskräfte sollen sich in diesen Organisationsmodellen auf die rein fachliche Führung ihrer Mitarbeiter fokussieren, sie sollen als Führungskräfte von den mit Führung verbundenen Tätigkeiten – also Führungstätigkeiten – entbunden werden. Eine geradezu paradox anmutende Zielsetzung. Aber… in diesem Sinne konsequent wurden in solchen Organisationsformen über Jahre hinweg Aufgaben aus den operativen Bereichen heraus und hinein in die HR Abteilung verlagert. Und ebenso konsequent wurde darauf verzichtet, die sogenannten Führungskräfte mit einem vollständigen Führungsknowhow zu versehen, denn dieses war nicht mehr erforderlich und vielleicht auch nicht mehr gewünscht. So entstanden und entstehen in vielen Bereichen eigentlich nur noch „Teil-Führungskräfte“, um einen neuen Begriff ins Spiel zu bringen.

Um diese „Teil-Führungskräfte“ herum war es nun Aufgabe von HR Abteilungen, Strukturen, Prozesse und Instrumente zu schaffen, die die Führungskräfte unterstützen und diese Themen unternehmerisch steuerbar machen. Und zugleich auch „Dienstleister“ für die Führungskräfte zu sein, da diese zahlreiche Führungsaufgaben ohne entsprechende Unterstützung im Alltag auch gar nicht mehr selbst bewerkstelligen können. Eine überaus komplexe Organisation also, für welche ein gewisses Grundverständnis Erfolgsvoraussetzung ist, wie auch eine genaue Klärung der Aufgabenteilung.

Aufgabenteilung?

Klar – Grenzen wollen wir eigentlich nicht (mehr), aber mit dem Aufweichen der Abteilungsstrukturen müssen gerade Aufgaben, die unmittelbar „mit Menschen“ zu tun haben, neu strukturiert werden. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Was ist Aufgabe von HR und was ist eigentlich originäre Führungsaufgabe? Ist die Förderung und das Herausfinden von Bedürfnissen Teil der Führungsaufgabe (und in der Konsequenz auch von #ScrumMastern) oder wird das „ausgelagert“ an #HR?

Ist HR nur noch zum Wohlfühlen da oder ist der Job von HR nicht gerade Unternehmensbedürfnisse und Mitarbeiterbedürfnisse übereinander zu bringen? Ist HR der Gestalter von Rahmenbedingungen und Strukturen und die Führungskraft ihr verlängerter operativer Arm?

Und hier kommt nun die Realität hinzu, dass je nach Selbstverständnis und Fähigkeiten der jeweiligen Führungskraft HR unterschiedliche Rollen in einem Unternehmen gleichzeitig ausfüllen muss. Denn Führungskräfte welche sich selbst rein als fachliche Führungskräfte verstehen, benötigen eine HR als „starken Dienstleister“, weil sie das Bedürfnis haben, zahlreiche Führungstätigkeiten abgeben zu können. Andere Führungskräfte, welche ein anderes Selbstverständnis haben, also eine besondere Freude an der menschlichen Führung oder statistischen Führung (Führen nach Zahlen) haben, benötigen ein ganz anderes Angebot der Personalabteilung.

HR verbindet

„Wenn Führungskräfte einen „guten“ Job machen, ist keine separate HR-Funktion nötig (die Administration der Personalarbeit kann m.E. auch ausgelagert werden an entsprechend spezialisierte Dienstleister). Nichtsdestotrotz ist es hilfreich, wenn „jemand“ im Unternehmen die Rolle übernimmt, Sparringspartner und Facilitator für unternehmenskulturelle Themen zu sein und die Beteiligten (u.a. auch Führungskräfte) darin unterstützt, dafür passende Lösungen (Tools, Konfliktlösungen, Prozesse, Policies) zu schaffen.“ So eine Meinung aus meinem Netzwerk zur Frage, ob den nun HR noch nötig ist oder nicht.

Eine andere lautet: „Ich glaube, es ist ein Kontinuum. HR sollte Führungskräfte befähigen und fördern einerseits. Außerdem sollte HR diese Leistungen einfordern und die Umsetzung kontrollieren im Sinne des Unternehmens und seiner Ziele. Ich sehe HR damit primär als einen Unterstützer und verlängerten Arm der Organisation.“

Beide Meinungen weisen für mich auf den gleichen Aspekt: die Vielfalt an Führungskräftetypen!

Wenn das bisherige fachliche Monopol der HR-Abteilung nun also durch eine vernetzte Zusammenarbeit abgelöst wird, kann das durchaus zum Vorteil des Unternehmens wie auch der Mitarbeitenden werden. Die Aufgabe von HR ist es doch, die People Seite des Geschäftes zu steuern und zu prägen, vielleicht auch Grenzen aufzuzeigen. Weder Prinzipienreiterei (vom Arbeitsrecht über die Arbeitszeiterfassung bis hin zu Diversity) noch repetitive administrative Aufgaben (Urlaubstage, Abrechnung und Aktenführung) alleine bringen den Einzelnen oder das Unternehmen weiter. Und am Ende stellt sich in jeder Abteilung jedes Unternehmens diese Frage, welche Art der Unterstützung, Förderung oder Begleitung welcher Führungskräftetyp jeweils braucht. Und HR braucht für jeden dieser Typen die richtige Antwort! Und dies setzt die entsprechenden passgenauen Kompetenzen und Ressourcen in HR voraus.

Einmal zentralisiert und zurück

Es ist also so, dass die Richtung HR delegierten Aufgaben dort gebündelt wurden. Recruiting, Verwaltung, Training & Development sind zu Aufgabenpaketen innerhalb der HR-Abteilung zusammengefasst und geclustert worden. Mit dieser Bündelung wurden sie skalierbar und austauschbar. Zusätzlich wurden sie leichter digitalisierbar. Gesteigerte Effizienz hieß in der Folge schnell auch, dass diese Prozesse ganz ausgelagert oder durch Shared Services und Tools ergänzt wurden. Was übrig blieb war und ist People Business. Die eigentliche Kernkompetenz von HR, das Zwischenmenschliche nämlich. Dann aber wurde und wird immer noch oft ein entscheidender Fehler begangen: die freigewordenen Ressourcen im HR wurden nicht umgewidmet – sei es aus Kostengründen oder aus dem Grund, dass die Mitarbeitenden die entsprechenden Kompetenzen nicht hatten. Durch den vorangegangenen Bündelungs- und Straffungsprozess ist also heute nicht mehr genug Personal in den HR Abteilung, um Individualität in den Vordergrund zu stellen. Um HR im Sinne von People Business zu betreiben. Womit im besten Fall genau diese Betreuung wieder zurück in die operativen Einheiten wandert – oder eben unterbleibt. Letztes ist der worst case. Denn wenn der Mensch die wichtigste Ressource ist und eine sehr einzigartige, dann kann er kaum alleine durch Tools und ausschließlich standardisiert betreut werden. Wertschätzung ist ein zutiefst menschlicher Akt. Diesen Job muss die jeweilige Führungskraft leisten und / oder HR!

Wenn wir diesen Teufelskreis  – oder vielleicht die Wellenbewegung – aus Verschlankung und Verknappung, die Reduktion auf Prozesse durchbrechen wollen, dann muss sich HR in der Tat neu erfinden (dürfen!).

Rethinking HR

Und da schließe ich gerne auch noch einmal an das Fazit von Rethinking HR. In dem Buch haben sich immerhin eine ganze Menge Menschen damit beschäftigt, ob wir HR noch brauchen oder nicht. Und hier sind wir zu dem Schluss gekommen, dass HR die Vernetzerin der einzelnen Silos ist, die den Überblick behält über die HR-Aufgaben in den einzelnen Abteilungen und für Effektivität sorgt, wo es nötig ist, und dann wiederum Raum für Individualität schafft, wo diese sinnvoll ist. Wenn wir HR-Funktionen mit dem Aufbrechen von Silos einfach wieder aufteilen, dann bekommen wir keine vernetzten, sondern verteilte Prozesse. Und dazwischen liegt meiner Meinung nach ein immenser Unterscheid.

Selbst die beste Führungskraft kann nicht alles wissen. Und somit ist die HR Abteilung der Wissensspeicher der Talente. Der Pool der Ressourcen, die ein Unternehmen einzigartig machen. HR muss um den Wettbewerbsvorteil wissen, den das Unternehmen durch sein Team hat. Im besten Fall ist HR ein Garant des Wettbewerbsvorteils des ganzen Unternehmens.

Dieses Wissen nimmt HR immer wieder auf, kombiniert es, verteilt es als dauerhaften Prozess. Das ist herausfordernd und intensiv. Das ist mehr als eine Funktion. Denn damit ist die HR Abteilung selbst dazu aufgefordert sich ständig neu zu erfinden. Eine spannende Aufgabe also, dieses HR!

Fazit

Es wird also nicht HR überflüssig (zumindest nicht ab einer bestimmten Unternehmensgröße, in der HR nicht nur als Personalverwaltung gedacht wird), sondern der Wandel der Arbeitswelt sorgt dafür das fachliche Monopol von HR aufzulösen und der übergeordneten Abteilung Raum dafür zu geben nicht imitierbare Wettbewerbsfähigkeiten des Unternehmens in den Mitarbeitenden und Führungskräften zu entdecken. HR ist Perlentaucherin und Schatzmeisterin zugleich, wobei es weniger um das Bewahren dieser Schätze geht sondern um die zinsbringende, nachhaltige und vorausschauende Wertanlage.

Hinweise

Rethinking HR, Collard, Schnitzler, Haufe 2021

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