Betriebliches Gesundheitsmanagement 2.0. Britta Redmann

Wie gesund ist Dein Job?

Inhalt

Wie kann ich als Führungskraft die Gesundheit meines Teams unterstützen und was habe ich als Führungskraft davon, wenn ich es tue?
Das war vor Kurzem die Ausgangsfrage in einem Workshop für ein Unternehmen.
Oftmals fällt das Thema „Gesundheit“ ja immer noch hinten runter in unserem Arbeitsalltag … und Führungskräfte haben ja meistens eh schon den Tisch voll mit anderen Aufgaben. Und dann noch das Thema Gesundheit?

Ich glaube, es ist ein umso wichtigeres, gerade in Zeiten, wo Fachkräfte fehlen und es für Unternehmen sogar erhebliche Wettbewerbsvorteile haben kann, wenn Mitarbeitende nicht nur leistungsfähiger, sondern auch gesünder sind und bleiben. Je weniger Kollegen und Kolleginnen ausfallen – desto weniger Aufwand dann auch für die Führungskraft. Trotzdem wird das Thema in der Führung oft stiefmütterlich behandelt oder als „lästig“ angesehen. Woran liegt´s? Ist das Bewusstsein nicht da? Was macht ein attraktives Gesundheitsmanagement aus? Was braucht es, damit Führungskräfte sich dafür engagieren?

Ich hab die Community in den sozialen Medien befragt – Bewusstsein ist ein Problem.

Betriebliches Gesundheitsmanagement Britta Redmann

 

Erschreckend, oder? Denn wir denken so kurz: Fachkräftemangel ist ein sichtbares Phänomen. Das spüren Unternehmen unmittelbar am Output, an der Leistung, am Umsatz, am Gewinn.

Was aber ist der Mangel an Mitarbeitenden, die krank sind oder werden? Das ist doch nicht anderes. Und jetzt vergleichen wir einmal die Recruiting Budgets mit denen der Gesundheitsbudgets… ziemlich skurril – findet ihr nicht auch?

Ein Budget-Vergleich

Der Recruiting-Etat beläuft sich in 56% der Unternehmen auf bis zu 20.000 €/ Jahr. Das meiste Budget entfällt auf Online-Stellenanzeigen (41%), gefolgt von Personalvermittlung / Headhunting (25%) und Active Sourcing (19%). Fast die Hälfte der Befragten wünscht sich mehr Geld für das Recruiting (Persoblogger 2022).

Ich bin überzeugt, dass in vielen Unternehmen weitaus höhere Budgets aufgerufen werden. Wenn der Druck steigt, dann ist eine Budgeterhöhung die vermeintlich einfachste Lösung.

Zahlen, die die Budgets von Betrieblichem Gesundheitsmanagement erläutern, findet man so gut wie gar nicht. Auch das mag ein Indiz sein für die Relevanz des Themas.

In einem Unternehmen, was 200 Mitarbeiter beschäftigt, sollte monatlich ein Budget von 20 bis 30€ pro Mitarbeiter zur Verfügung stehen. In einem Unternehmen, was 2000 Mitarbeiter beschäftigt, sollte monatlich ein Budget von 10-15€ pro Mitarbeiter zur Verfügung stehen. So der BGM Podcast 2020. Das zumindest wäre das Wunschdenken. Viele Maßnahmen gibt es aber auch ganz kostenfrei.

Es sind auch gar nicht unbedingt die „Maßnahmen von der Stange“, die wirksam sind. Das zumindest hat mein Workshop auch ergeben. Unsere Arbeitssituation ändert sich viel schneller, als die Maßnahmen, die man offiziell eingeführt, im Team abgestimmt und eingekauft hat. Auch hier hat Recruiting die Nase vorn: Maßnahmen sind hier viel schneller vielfältiger geworden und innovativer.

Gesundheitsmanagement 2.0.

Darum bedeutet Gesundheitsmanagement und gesunde Führung heute noch einmal etwas ganz anderes – quasi ein Gesundheitsmanagement 2.0.

Es geht um Ideen gegen den Gesundheitsmangel, der mindestens so gefährlich ist wie der Fachkräftemangel – und mindestens so akut!

Als Beispiel: Es gibt im konkreten Fall – und das ist sicher auf viele Unternehmen übertragbar – viel mehr Mitarbeitende (männliche vor allem) die Elternzeit nehmen. Nicht mehr „nur“ 2 Monate, sondern zwischen 3-6 Monaten. Für diese Zeit gibt es aber keine geeigneten Neueinstellungen, bzw. Kolleg:innen, die man für diese Zeit findet oder die dann auch direkt eingearbeitet sind. Diese Phasen müssen also vom Team aufgefangen werden. Das ist schnell recht einseitig auf bestimmte Teammitglieder verteilt, die keine Elternzeit oder sonstige Auszeiten in Anspruch nehmen (können). Es wird also „immer von den denselben“ aufgefangen – daraus resultieren Frust und Unzufriedenheit.

Ein weiteres Problem ist der zunehmende Krankenstand. Hier bedarf es eines enormen Aufwandes, „spontan“ andere Kolleg:innen zu finden, die dann ersatzweise eingesetzt werden können. Überstunden werden hier zur Regel – da nützen eben auch kein jährlicher Gesundheitscheck und kein Ruheraum.

Gesundheit im Teufelskreis

Wir haben eingangs festgestellt, dass es zu wenig Bewusstsein für Gesundheit im Unternehmen gibt. Auf der anderen Seite sind Menschen schon viel sensibilisierter, was Erschöpfungs- und Unwohlseinszustände angeht. Wo man früher einmal zu oft gesagt hat „reiß dich mal zusammen“ sagt man es heute vielleicht zu selten (auch zu sich selbst).

Der Grat ist ganz schmal – das weiß ich natürlich. Das Empfinden für Krankheiten, Belastungen und Stress ist extrem individuell. Auch das führt ja wieder zu dem Phänomen, das gefühlt „immer die Gleichen krankfeiern“ und „immer die Gleichen den Betrieb aufrechterhalten müssen“.

Für Führungskräfte stellt das eine enorme Herausforderung dar. Sie haben zwar eventuell probate Methoden im Portfolio, die passen aber nicht zu den neuen Problemen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden. Da sie selbst in ihrer Verantwortungsfunktion eventuell auch zu denjenigen gehören, die eher auffangen als abgeben, sind sie selbst in genau dem Teufelskreis gefangen.

Und jetzt – (k)eine gesunde Lösung in Sicht?

Eine einfache Lösung gibt es dafür sicher nicht. Unsere bekannten Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sind es aber definitiv nicht mehr allein. Aber als Führungskraft ist es meine (vorrangige!) Aufgabe Gefahren für die Gesundheit wahrzunehmen und gegenzusteuern.

Meine Ideen für einen betrieblichen Gesundheitscheck 2.0

  • Kommunikation: Menschen, die miteinander reden, haben schnell ein wesentlich größeres Verständnis für individuelle Situationen. Wenn man weiß, warum der Kollege immer Kopfschmerzen hat und die Kollegin oft müde ist oder warum sie deswegen ausfällt, dann wird die Arbeit zwar nicht weniger, aber vielleicht der Frust darüber – und der trägt erheblich zum eigenen Krankwerden bei.
  • Zeit: mehr Freizeit, anders geregelte Arbeitszeiten, neue flexible Zeitmodelle machen Mitarbeitende nachweislich zufriedener. Die Ergebnisse aus Großbritannien belegen es:
    • 71 Prozent der Beschäftigten gaben an, weniger unter „Burnout“ zu leiden.
    • 39 Prozent sagten, sie seien weniger gestresst als zu Beginn des Versuchs.
    • Die Zahl der Krankenstandstage ging um 65 Prozent zurück.

Sie ist kein Allheilmittel, die 4-Tage-Woche. Aber sie ist ein Baustein flexibler Arbeit und eines Gesundheitsmanagements, dem Flexibilität und Innovation systemimmanent sind. Dadurch erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und können Arbeit und Privatleben besser miteinander vereinbaren.

  • Leistung wird nicht weniger wichtig und nicht weniger wert! Innovative Vergütungsmodelle gehen über das traditionelle Gehaltssystem hinaus. Das kann beispielsweise die Einführung von Leistungsprämien, Bonussystemen oder profitbasierten Beteiligungsmodellen umfassen. Diese Maßnahmen können die Motivation der Mitarbeitenden steigern und ihnen eine direktere Beteiligung am Unternehmenserfolg ermöglichen.
  • Partizipation: Wir müssen verstärkt auf die Meinungen und Ideen der Mitarbeitenden setzen und ihnen Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung und Mitgestaltung bieten. Das kann durch Mitarbeiterbefragungen, regelmäßige Feedbackprozesse, Einbindung in Entscheidungsprozesse und die Förderung von Mitarbeiterinitiativen erreicht werden. Durch Partizipation fühlen sich die Mitarbeitenden stärker eingebunden und haben ein größeres Mitspracherecht, was sich positiv auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirken kann.

Mein Mini Rezept: der „5-Minuten-Hack“

Wie wäre es, wenn jede Führungskraft jedem im Team (inklusive sich selbst natürlich!) 5 Minuten Gesundheit pro Tag „verordnet“? Was kann ich dafür tun, dass ich gesund bleibe, was kann ich dafür tun, dass meine Kollegen und Kolleginnen gesund bleiben?

Führungskräfte können den Mitarbeitenden täglich 5 Minuten „Gesundheitszeit“ einräumen, in der sie aktiv über ihre eigene Gesundheit nachdenken. Ob allein oder gemeinsam, diese kurze Pause fördert das Bewusstsein für Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Indem die Führungskraft als Vorbild vorangeht, wird eine positive Gesundheitskultur im gesamten Unternehmen geschaffen – gesund sein als Regelzustand und nicht erst, wenn man sich krank fühlt. Den Mitarbeitenden wird die Freiheit gegeben, ihre eigenen Aktivitäten für die 5-Minuten-Pause zu wählen. Dies kann von einer kurzen Meditationsübung, Atemtechniken oder einfach einer Frage an sich selbst reichen. Wie fühle ich mich heute?“, „Habe ich genug Schlaf bekommen?“, „Bin ich gestresst oder entspannt?“ „Wer oder was nervt mich?“ – und was möchte ich aktiv tun, um diese Frage künftig positiv beantworten zu können. Es sind quasi kleine Appelle an sich selbst. Es lenkt den Blick weg von „die anderen haben es immer besser“ hin zu „wie sorge ich für mich“!

Das wäre schon einmal ein Schritt in die sehr richtige Richtung. Und kostet gerade mal 25 Minuten pro Woche – das sollte doch drin sein, oder?

Fazit

In Phasen der Transformation – und ich werde kaum orakeln, wenn ich behaupte, dass wir uns in einer „unendlichen“ Phase aufeinanderfolgender Transformationen befinden und dort auch bleiben – spielen gesunde und leistungsfähige Mitarbeitende und Führungskräfte eine entscheidende Rolle. Eine gute psychische Stabilität ermöglicht es den Menschen in der Regel, sich leichter auf Veränderungen einzustellen und mit der damit unweigerlich verbundeneren Mehrarbeit oder Belastung umzugehen. Zudem sind sie flexibler und begeisterter, um neue Situationen anzunehmen und aktiv mitzugestalten.

Gesundheitsmanagement muss und kann diese Situation nicht „wegmachen“ – es muss sich dieser Situation nur bewusst sein, um adäquat reagieren zu können. Unsere aktuellen Maßnahmen schaffen das nur bedingt. Hier reicht es nicht den Katalog immer mehr zu erweitern, sondern wirklich neu zu denken. Mit jedem neuen Mitarbeitenden kommen neue (gesundheitliche) Bedürfnisse hinzu. Dafür braucht es Führungskräfte, die Zeit haben für gesunde Führungsarbeit. Darauf muss der Fokus liegen. Nicht (allein) auf dem Recruiting. Nicht zuletzt kann man letzteres auch leichter kaufen als Gesundheit. Nur weil das Budget für Recruiting höher ist, hat es noch lange keinen höheren Stellenwert im HR! Das muss uns BEWUSST-sein.

Quellen/Hinweise

https://persoblogger.de/2022/08/11/65-der-unternehmen-suchen-mehr-personal-recruiting-budgets-haeufig-nicht-ausreichend
https://www.bgmpodcast.de/was-kostet-betriebliches-gesundheitsmanagement
https://www.derstandard.de/story/2000143754551/weniger-stress-und-krankenstaende-bisher-groesste-studie-ueber-vier-tage

 

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