Und was bitte ist gute Zusammenarbeit?
Wir reden von vernetzter Zusammenarbeit, Unternehmen wollen agil arbeiten und Mitarbeiter wünschen sich bei ihren Einstellungsgesprächen zu 90 % eine „gute Arbeitsatmosphäre“ im Team. Wie beeinflusst unsere Karriere – oder das, was für uns wichtig ist – der Faktor „Zusammenarbeit“? Eine Frage mit der sich jeder HR´ler beschäftigen muss. Eine von Ihnen ist Diana Roth. Sie war jahrelang selber im Personalbereich tätig und hat sich jetzt auf Coaching von Personalerinnen spezialisiert. Wie Diana die Frage auflöst, was für einen Bewerber gute Zusammenarbeit und damit ein wesentlicher Karrierefaktor für ihn ist, das schildert sie im Folgenden:
Wer ist der MAN in Teamarbeit?
Karriere und Zusammenarbeit
Jeder 3. Bewerber erklärt mir, dass gute Zusammenarbeit in seiner neuen Stelle, entscheidend ist. Eine HerzBlutPersonalerin kann es sich in solchen Moment nicht nehmen lassen.
Sie muss nachfragen und zwar ungefähr so:
„Danke. Ich habe verstanden, dass Ihnen eine gute Zusammenarbeit/ein gutes Team sehr wichtig ist. Was ist denn für Sie gute Zusammenarbeit?“
Und jetzt beginnt der Balanceakt des Bewerbers.
Er überlegt, ob er mich mit diplomatischen Satzphrasen zufrieden stellen soll, oder ob er klar sagen will, was sein Bedürfnis ist.
In den letzten 30 Jahren meiner HR-Arbeit in sechs verschiedenen Branchen, habe ich gerade diese Antworten auf diese Frage festgehalten. Hier nun die vier Antworten in der Reihenfolge der Häufigkeit:
1. „Ja, wenn man sich wohl fühlt im Team!“
2. „Wenn man gerne arbeiten kommt!“
3. „Wenn man gemeinsam am gleichen Strick zieht!“
4. „Wenn man sich gegenseitig hilft!“
Wer ist der MAN?
Diese Antworten provozieren bei mir natürlich Rückfragen. „Ja, wann fühlen Sie sich denn wohl in einem Team?“. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzen viele Bewerber generalisierenden Aussagen. Auch die Formulierung „man“ ist einer Personalerin grundsätzlich suspekt. Wenn ich einen guten Dialog mit dem Bewerber führe und auch Humor in dem Gespräch (ich mag das Wort Interview nicht) von beiden Seiten möglich ist, frage ich auch schon mal: “Wer ist der MAN?“
Und erst dann ist ein offener, tiefer Austausch möglich. Ich bemerke, dass sich gerade hier Bewerber hinter Plattitüde verstecken, obwohl ihnen eine Zusammenarbeit stark am Herzen liegt.
Teammitglieder – Individuen
Es gibt so viele Mitarbeitertypen, die ein Team bereichern können. Ich habe mich entschieden hier meine „big 4“ vorzustellen. Daher ist die Aufzählung als nicht abschließend zu sehen.
Da gibt es den dominanten selbsternannten Teamleader, der gerne offen und direkt ist. Der durch Verhandlungen Übereinstimmung erzielt. Der gerne Probleme für die Gruppe löst. Sich aber auch unsensibel gegenüber den Gefühlen der anderen zeigt. Er ist zwar ausdauernd – aber in Gruppenprozessen voll Ungeduld.
Da gibt es das humorvolle Teammitglied, welches gerne im Rampenlicht steht. Er fühlt sich in einem demokratischen Umfeld wohl. Hier müssen seine Beiträge anerkannt und gewürdigt werden. Er reißt die Gruppe mit seinem Optimismus mit – verspricht aber leider auch mehr als er halten kann.
Da gibt es den klassischen Teamplayer mit dem fürsorglichen Ansatz, der wie eine Glucke das Team hegt und umpflegt. Er mag Ideen, die an Bewährtes anknüpfen und sorgt selber für ein angenehmes und kooperatives Umfeld. Er mag Teammitglieder, die freundlich mit ihm umgehen und sich nicht nur für seine Arbeit, sondern auch für ihn interessieren. Er ist der große Unterstützter, der sich jedoch selbst verliert, da er sich ständig anpasst und damit Chancen verpasst.
Und schlussendlich gibt es den superkorrekten Kollegen. Der durch Genauigkeit, Organisation, Details und Präzision auffällt. Er hält sich gerne an Regeln und bringt seine gut begründeten Bedenken regelmäßig in Gruppenentscheide ein. Er sorgt für Ordnung und fällt durch seinen konzentrierten Blick auf Details als bremsend auf.
Und alle wollen doch dasselbe: Akzeptiert und respektiert werden. Nur jeder definiert dies für sich ganz individuell. Unvergleichbar. So wie wir alle Individuen sind, so ist auch dieser Begriff sehr unterschiedlich belegt. Um die Reibungsverluste untereinander abzufangen, müssen sie die individuellen Unterschiede verstehen. Das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit ist bei den meisten Menschen sehr ausgeprägt.
Was hat ein gutes Team mit Karriere zu tun?
In den letzten Jahren habe ich als HR-Leiterin immer wieder Teams begleitet, die einen mehrmonatigen Krankheitsfall eines Mitarbeiters, mitaufgefangen haben.
Im Gegenzug erlebte ich, dass ein anderes Team bereits nach 4 Wochen auf die Barrikaden ging, da man nicht mehr bereit war, für den Kollegen einzuspringen.
Ein gutes Team kann die Karriere eines Einzeln und eines ganzen Teams fördern oder behindern.
Beides ist möglich.
Einer für alle – Alle für einen
Ich unterrichte angehende Marketingmanager in einer Fachhochschule. Dort gibt es eine Prüfungsarbeit, welche als Gruppenpuzzle tituliert wird. Gruppen von 3 -5 Studenten müssen ein Thema aufbereiten und in Form einer kleinen Diplomarbeit abgeben. Anschließend müssen sie diese präsentieren und Fragen dazu beantworten. Es gibt eine Gruppennote. EINE.
Hier beobachte ich immer wieder, wie diese Zusammenarbeit in beide Richtungen gehen kann. Und die wenigstens Gruppen ziehen das schwächste Glied der Gruppe mit hoch. Ich erlebe, dass die Leistungen und das Verhalten der „schwächsten“ Gruppenmitglieder, die anderen stark beeinflusst.
Mit schwachen Gruppenmitgliedern sind meist starke Personen gemeint, die jedoch ein völlig anderes Arbeitsverhalten haben und in gewissen Situationen lieber minimalistisch Beiträge leisten. Sie rechnen damit, dass die leistungsstärksten und ehrgeizigsten Gruppenmitglieder alles tun um eine gute Note zu erhalten.
Ich muss dann immer an den Spruch: T.E.A.M = d.h. toll ein anderer machts denken.
Für mich spiegelt dies die Zusammenarbeit in einem Team wieder. Auch hier kann ein einziger fauler Apfel eine Reihe von gesunden, knackigen Äpfeln so anstecken, dass schlussendlich alle ungenießbar sind. Umgekehrt wird ein gesunder, rotbackiger Apfel unter lauter faulenden Äpfeln sich rasch angleichen.
Kennst Du die X und Y-Theorie von Mc Gregor?
Mc Gregor beschreibt in seiner These zwei verschiedene Menschentypologien. Ganz rudimentär zusammengefasst: Theorie X: Der Mitarbeiter hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und versucht dieser, aus dem Weg zu gehen. Er vermeidet, Verantwortung zu übernehmen, hat nur wenig Ehrgeiz. Theorie Y: Arbeit ist für diesen Typ Mensch eine wichtige Quelle der Zufriedenheit, denn er ist von Natur aus leistungsbereit und leistungswillig. Arbeit bietet ihm die Befriedigung seines Strebens nach Selbstverwirklichung.
Mein Fazit:
X-Mitarbeiter schätzen eine gute Zusammenarbeit aus anderen Beweggründen wie Y-Mitarbeiter.
Welchen Stellenwert hat gute Teamarbeit für mich in der heutigen „new-workigen“ Zeit?
Ich bin ja der Meinung das New Work „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist.
Daher: der Stellenwert von guter Teamarbeit war immer schon wichtig. Je nach Funktion, Aufgabengebiet, Branche, Region und Mitarbeitertyp braucht es mehr oder weniger.
Zusammenarbeit ist sehr wichtig.
Zusammenarbeit hat einen hohen Stellenwert.
Da zukünftig gesamte Arbeitsprozesse und Strukturen mehr und mehr virtualisiert auftreten, werden Unternehmen auf fest angestellte Mitarbeiter verzichten. Kleine Arbeitspakete werden von Projektarbeitern in sogenannten Talent-Clouds virtuell zusammenarbeiten. Da heißt es dann Zusammenarbeiten ohne teilweise sich je zu persönlich zu begegnen. Hier wird das Thema Kommunikation und klare Regeln einen großen Stellenwert erhalten.
Aber der Satz:
„Wer alleine arbeitet, addiert: wer zusammenarbeitet, multipliziert.“
(Arabische Lebensweisheit)
wird weiterleben.
Diana Roth
HerzBlutPersonalerin, HR-Expertin, HR-Fachbuchautorin, HR-Podcasterin, HR-Youtuberin
Schweiz
www.dianarothcoaching.com