Betreibsrätemodernisierungsgesetz und KI Britta Redmann

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz als Treiber für KI

Inhalt

Corona hat uns gezeigt, dass wir in Deutschland zu langsam sind. Diesen Fehler dürfen wir in Bezug auf KI nicht wiederholen. Den in vielen Unternehmen anzutreffenden arbeitsrechtlichen Kleinkrieg zwischen Unternehmensleitung und Betriebsräten werden sich beim Thema KI beide Seiten nicht leisten können. Die Unternehmen in Deutschland und die Betriebsräte müssen es schaffen, KI so schnell in ihren Unternehmen einzubinden, dass sie im internationalen Wettbewerb gegen konkurrierende Unternehmen aus den USA oder China nicht unterliegen werden. Unternehmen und Betriebsräte werden dies aber nur schaffen, wenn sie wirklich vertrauensvoll miteinander das Ziel verfolgen, KI verantwortungsbewusst und sozialverträglich so schnell wie möglich in den Unternehmen zu implementieren. Das neue Gesetz – sollte es denn so umgesetzt werden – darf daher nicht zu Verzögerungen in den Unternehmen führen, welche die Existenz der Firmen gefährden.

Aspekte des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes

Eher lautlos hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein Betriebsrätemodernisierungsgesetz noch kurz vor Ostern beschlossen. Im Vordergrund steht die Zielsetzung, Betriebsratsgründungen und Betriebsratsarbeit zu fördern. So war der 1. Entwurf dieses Gesetzes auch mit dem Titel  „Betriebsrätestärkungsgesetz“ vorgelegt worden. Jetzt im zweiten Wurf die Änderung zur „Modernisierung“. Das wahrlich Interessante ist jedoch,  welche disruptive Entwicklung in  diesem Gesetz steckt.  KI wird zig tausende Unternehmen verändern und dies wird in den nächsten Monaten und  in den nächsten Jahren passieren. KI ist nicht mehr Science Fiction – KI ist inzwischen Realität.

Die wesentlichen Inhalte des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes sind:

  • Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens für den Betriebsrat
  • Erweiterung des besonderen Kündigungsschutzes für Initiatoren von Betriebsratswahlen
  • Streichung der Altersgrenzen für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung
  • Erweiterung der Rechte des Betriebsrats im Bereich der Berufsbildung
  • Hinzuziehung eines Sachverständigen (Erforderlichkeit) im Zusammenhang mit der Einführung oder Anwendung künstlicher Intelligenz
  • erweiterte Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien, wenn die Richtlinien ausschließlich mit Unterstützung künstlicher Intelligenz erstellt werden
  • ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit
  • Regelung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers
  • Regelung der Möglichkeit der Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz.

Auf den ersten Blick erscheinen diese Regelungen eher unspektakulär. Ja, einige von ihnen sogar „doppelt gemoppelt“: Auch wenn rechtliche Regelungen natürlich Transparenz und Verbindlichkeit schaffen, stellt sich an einigen Stellen in dem Gesetzentwurf die Frage, ob einige Ziele nicht bereits mit bestehenden Vorschriften erreicht sind, (z.B. was die Ausweitung des Kündigungsschutzes anbelangt, die sich aus § 612a BGB ergibt, oder auch die Erforderlichkeit eines Sachverständigen aus § 80 Abs. 3 BetrVG).
Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend flexiblen Gestaltung unserer Arbeitswelt stellt sich insbesondere bei der hier vorgesehenen zwingenden Mitbestimmung zur mobilen Arbeit die Frage, ob die Einführung von mobiler – und damit einer flexibleren – Arbeit nicht unnötig verbürokratisiert wird und damit (wieder) so hohe Verwaltungshürden aufgebaut werden, dass es eher Unternehmen von der Umsetzung abhält.

Begrüßen lässt sich dagegen überwiegend die Regelung die vorgesehen Möglichkeit, Betriebsratssitzungen nicht mehr in Präsenz, sondern mittels Video- und Telefonkonferenzen durchzuführen. Hier wird endlich nachgezogen, was für eine moderne Arbeitswelt eigentlich längst überfällig ist.

Modernisierung für NewWork & Agilität?

Bisher wirken arbeitsrechtliche Regelungen auf agile Konzepte und den unbefangenen Betrachter oftmals „störrisch“. An ein neues Gesetz in der heutigen Arbeitswelt (Stichwort: Wandel, Digitalisierung, Agilität) verstärkt durch die aktuell getätigten Erfahrungen in der Pandemie stellt sich die Erwartung, dass diesen neuen Anforderungen eben Rechnung getragen wird.  Das Ziel sollte hier sein, dass ein agiles – modernes – Unternehmen mit allen maßgeblichen Handlungsträgern das angestrebte agile Arbeiten schöpferisch und rechtssicher gestalten kann. Kurz gesagt: eine rechtssichere Gestaltung einer neuen agilen modernen Organisation.

Ob dieser Wurf mit dem neuen Gesetz – und damit zunehmend mehr Regelungen – gelungen ist, bleibt abzuwarten. Aktuell sind wir immer noch mitten in der Pandemie und für viele Betriebe ist die Lage schwierig und völlig ungewiss. Unsere Arbeitswelt zeichnet sich zudem über schnell verändernde Rahmenbedingungen aus. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat dann ein wahrer Erfolgsgarant, wenn sie sich durch schnelle, situativ passende und kreative Lösungen auszeichnet – anstatt den Weg über eine kostenintensive Einigungsstelle zu gehen. Eine agile Mitbestimmung ist von Vertrauen und dem gemeinsamen Willen getragen ist, das Unternehmen zu stärken und die Entwicklung von Mitarbeitern zu fördern. https://www.britta-redmann.de/kennen-sie-den-mut-paragrafen-im-arbeitsrecht/ Eine Vertrauenskultur – die es letztendlich für eine agile, moderne Unternehmenskultur braucht – lässt sich nicht verordnen. Sie entsteht. Und hierfür braucht es eher mehr Mut in das Miteinander, das Ausprobieren und in das gemeinsame Lernen durch Erfahrungen (als vermeintlich weitere starre Regelungen). Ist es nicht gerade in der gegenwärtigen Zeit und vor allem in der Krise eher angesagt, auf zusätzliche gesetzliche Bestimmungen eher zu verzichten und eher am Miteinander und der eigenen Haltung zu arbeiten? Modernisierung  in der gemeinsamen Zusammenarbeit mit einer agilen Haltung statt weiter machen wie bisher? Der Entwurf gibt mit Sicherheit hier noch Anlass zur weiteren Diskussion.

Mitbestimmung als Treiber für KI

Was bedeutet also dieser Gesetzesentwurf in seinem ganzen Ausmaß und seiner Tiefe vor dem Hintergrund einer modern Arbeitsorganisation und vor allem für eine zukünftige Arbeitswelt? Vor allem, wenn sogar hier noch einmal der Titel extra geändert wurde und jetzt sogar noch einmal auf die Modernisierung der Betriebsräte hinweisen soll.  Wo steckt die Musik drin?

Das eigentlich Besondere an diesem Gesetzeswerk ist gar nicht die „Stärkung der Betriebsräte“. Das Besondere ist, dass es sich um ein erstes „KI-Gesetz“ handelt, in dem die Mitbestimmung gesichert werden soll. Und in dieser Botschaft spielt die eigentliche Musik – und das nicht nur leise.

Hier sollen explizit Mitbestimmungsrechte geschaffen werden, die darauf vorbereiten, dass KI Unternehmen und ganze Branchen ganz entscheidend verändern wird.
So wird in dem Entwurf klargestellt, „dass Rechte des Betriebsrates bei der Gestaltung von Arbeitsumgebung und Arbeitsabläufen auch dann greifen, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Betrieb eingesetzt werden soll. Es wird außerdem sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei Personalauswahlrichtlinien auch dann greifen, wenn sie durch oder mithilfe einer KI erstellt wurden. Wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss, gilt die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.“

Dieser Gesetzesentwurf zeigt, dass hier auf den zunehmenden Einsatz von KI in der Arbeitswelt nicht nur reagiert sondern sogar proaktiv gehandelt wird. Was letztendlich nichts anderes bedeutet, dass KI  schon als real angesehen wird. Deshalb sollen (müssen) jetzt die Betriebsräte ran.
Das Gesetz sieht ferner vor, „dass bei Fragen der beruflichen Bildung  Arbeitgeber*innen und Betriebsrat künftig die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen können, wenn sie sich nicht über konkrete Maßnahmen einigen können. Die Einigungsstelle soll versuchen, eine Einigung der Parteien herbeizuführen, ohne dass ein Einigungszwang besteht.“
Das macht deutlich, wie wichtig es ist,  dass Betriebsräte hier eine verstärkte Mitbestimmung bekommen. So können Mitarbeiter fit gemacht werden für die Anforderungen, die KI und eine Zusammenarbeit mit KI mit sich bringen.

Es ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen dies wohl noch nicht erkannt haben. Und vielleicht auch teilweise nicht so anerkennen wollen? Deswegen sollen Mitbestimmungsrechte geschaffen werden, damit die meisten Mitarbeiter weitergebildet werden, auch wenn sie heute noch gar nicht wissen, dass sie sich weiterbilden müssen.

Wenn wir schon den Eindruck haben, was Corona uns an großer Anpassung abverlangt, wird das noch mal getoppt werden durch KI. Die spannende Frage ist doch die, wie unsere Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft bestehen bleiben und sich weiterentwickeln kann, angesichts der KI-Entwicklung, die jetzt unaufhaltsam begonnen hat?

Fazit:

Dieses Gesetz ist ein zaghaftes Gesetz in Bezug auf die KI. Und doch wird es schon viele Unternehmen überfordern. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll einerseits eine Entwicklung fördern und gleichzeitig einen verstärkten Einfluss von Betriebsräten auf die Entwicklung in Unternehmen geben. Wie die in unserem Land verbreitete Neigung zu übergroßer Gründlichkeit und Detailkontrolle uns manchmal in die Bredouille bringen kann, erleben wir gerade in Coronazeiten im Vergleich zu anderen Ländern, welche eher auf Geschwindigkeit und nicht auf Gründlichkeit setzen.

Um den in vielen Unternehmen anzutreffenden arbeitsrechtlichen Kleinkrieg zwischen Unternehmensleitung und Betriebsräten gar nicht erst aufkommen zu lassen, braucht es eine agile Mitbestimmung. Corona wird gehen – KI wird bleiben.

Quelle:

(FD-ArbR 2021, 437691, beck-online)

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