Kleine und große Krisen und die Rolle des Konfliktmanagements

Konfliktmanagement – zwischen kleinen Krisen und echten Kriegen

Inhalt

Führung steht mehr denn je im Spannungsfeld.
Auf der einen Seite müssen sich Führungskräfte mit „Mikromanagement“ beschäftigen. Sie setzen sich intensiv mit allen Konflikten und Themen innerhalb ihrer Teams und Organisationen auseinander. Hierbei geht es darum, Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, angemessen zu reagieren und Lösungen zu finden, um die Arbeitsbeziehungen und die Teamdynamik zu erhalten oder zu verbessern. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der beteiligten Personen, deren Bedürfnisse und Perspektiven sowie die Fähigkeit, empathisch und lösungsorientiert zu handeln. Im engeren Sinne bezeichnen wir das als den Bereich des betrieblichen Konfliktmanagements. Erst in der letzten Zeit haben wir die emotionale Komponente des betrieblichen Konfliktmanagements noch als ganz neue Herausforderung anerkannt.

Betriebliches Konfliktmanagement – die engere Definition

Es zielt darauf ab, Konflikte in einem Unternehmen so zu managen, dass sie in produktive und konstruktive Prozesse umgewandelt werden, anstatt schädlich zu sein. Hierzu zählen

1. Konfliktkultur etablieren
2. Konfliktprävention betreiben
3. Konfliktbewältigung anstreben
4. Konfliktbewusstsein schaffen
5. Ressourcen bereitstellen
6. Führungskräfte schulen
7. Maßnahmen evaluieren
8. Rechtliche Aspekte beachten

Betriebliches Konfliktmanagement gilt als ein proaktiver Ansatz, der dazu beiträgt, Konflikte in Chancen zur Verbesserung und Innovation umzuwandeln. Das allein fordert Führungskräfte mehr denn je – gilt es doch empathisch und emotional zu sein und zwischenmenschlichen Belange mindestens auf eine Stufe mit den unternehmerischen Zielen zu stellen.

Externe Krisen – der „echte“ Konflikt

Zusätzlich und in der jüngeren Vergangenheit immer mehr strahlen Konflikte aus der Außenwelt auf die Arbeit, die Mitarbeitenden und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen ab. Dieses „Makromanagement“ wird in unsicheren und sich schnell verändernden Zeiten zu einer zunehmend großen Herausforderung für Führungskräfte. Externe Faktoren wie wirtschaftliche Unsicherheit, gesellschaftliche Veränderungen, technologische Entwicklungen und ganz präsent politische Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Terror wirken sich direkt auf die Arbeitsumgebung aus und lösen Konflikte aus.
Es bedeutet, dass Mitarbeitende nicht nur mit den „betrieblichen“ Problemen belastet sind, sondern dass die Grenzen zwischen dem, was uns aufgrund der täglichen Nachrichtenlage, den Krisen und Kriegen in der Welt und den politischen und wirtschaftlichen Erlebnissen (be)trifft mit den Herausforderungen im Job verschwimmen. Es ist quasi die „andere“ Seite des Work-Life-Blending.
Wir haben Angst vor der Zukunft – zumindest sind wir verunsichert. Das gilt für Führungskräfte und Mitarbeitenden gleichermaßen und das macht nicht Halt an der Bürotür. Auch wenn religiöse und politische Meinungen nichts in der Arbeitswelt verloren haben sollten – zumindest, wenn es nicht Gegenstand der Arbeit ist – so kommen doch auch hier zu den normalen Konflikten solche hinzu, die aus eben dieser Unsicherheit, aus Vorurteilen, aus Biases resultieren.

Neue HR-Aufgaben

Für Führungskräfte entstehen hieraus ganz neue, multiple Konfliktdimensionen, die sich gegenseitig verstärken:
• Kaum ein Tag, an dem nicht eine Schlagzeile lautet, dass „die fetten Jahre vorbei sind“, dass sich „Deutschland zu lange ausgeruht hat“, dass wir „nicht mehr innovativ genug sind“. Trotz Fachkräftemangel entstehet aus dieser wirtschaftlichen Unsicherheit heraus in einzelnen Branchen die Notwendigkeit Mitarbeitende zu entlassen. Ein vermeintliches Paradoxon, das es gilt, kommunikativ zu verarbeiten im Unternehmen. Unverständnis und Misstrauen sind die größten Konflikttreiber!
• Auch Covid ist ein neuer Konflikt-Player geworden: „Der bleibt ja wegen des kleinesten Schnupfens zuhause“. „Die hat alle anderen angesteckt“. „Der leugnet Corona“. „Die wird von ihrer Ärztin dauernd krankgeschrieben“. Was schon immer Grund für Konflikte war, hat mit den Pandemie Jahren eine neue Eskalationsstufe erreicht.
• Gesellschaftliche Veränderungen, wie beispielsweise Diskussionen über Diversität und Inklusion, können Konflikte in der Arbeitswelt auslösen. Führungskräfte sind nicht frei von Biases. Unterschiedliche Kulturen im Team zusammenzubringen ist herausfordernd – schon immer. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderungsdebatte noch mehr. Wir brauchen ausländische Fachkräfte und wollen gleichzeitig Flüchtlingsströme begrenzen. Ein gesamtgesellschaftliches Problem von immenser Power, das im Kleinen in jedem Recruiting-Prozess eine Rolle spielt.
• Diese Thematik setzt sich fort in der gesamten Arbeitsumgebung. Mit welchen Lieferanten arbeiten wir noch zusammen? Darf der Kundenstamm sich auch in autoritären Regimen befinden? Sind individuelle ethische Bedenken eine Frage der Arbeitskultur oder gehören sie nicht in den Meetingraum?
• Aber es ist nicht nur die „humane“ Intelligenz, die uns an unsere Grenzen geraten lässt. Künstliche Intelligenz ist ein neuer Player in Beziehungen und somit gleichfalls Auslöser für Konflikte:
o Wie sehr können wir Tools und digitalen Helfern vertrauen?
o Sind unser Daten sicher?
o Werden wir ersetzt?
o Bin ich up to date?
o Wohin führt das in Zukunft für mich, meinen Job und meine Familie?
Konfliktmanagement hat vielleicht nicht unbedingt eine neue Dimension bekommen. Aber der veränderte Umgang mit Emotionen in der Arbeitswelt hat die Grenzen durchlässiger gemacht. Konflikte bleiben nicht vor dem Unternehmenstor stehen, selbst wenn sie nicht ursächlich den betrieblichen Abläufen zuzurechnen sind.

Die „moderne“ Führungskraft aber muss in beiden Dimensionen des Konfliktmanagements flexibel und anpassungsfähig sein, empathisch reagieren, kommunizieren und vor allem im Sinne aller Parteien Entscheidungen treffen.
Das darf kein einseitiger „Prozess“ sein– wenn wir resiliente empathische Führungskräfte so sehr brauchen, dann müssen wir sie ausbilden.
Und unterstützen.
Und entlasten.
Wir müssen auf ihre mentale und psychische Gesundheit achten und immer wissen, dass auch Führungskräfte vor diesen inneren und äußeren Konflikten nicht immun sind!

Support Leadership!

• Führungskräfte profitieren von Schulungen und Fortbildungen im Bereich Konfliktmanagement. Aber auch interne Mentorenprogramme und externe Coachings können hilfreich sein. Je stärker die Krise, desto eher brauchen wir alle Ventile für unsere Gefühle.
• Die Bereitstellung von Mitarbeiterunterstützungsprogrammen, wie z. B. psychologischer Beratung oder Konfliktlösungsdiensten, kann Führungskräfte entlasten. Die Führungskraft ist nicht per Funktion oder Titel fachlich, emotional, ad hoc und universell Ansprechpartner.
• Unternehmen müssen klare Richtlinien und Prozesse zur Konfliktlösung und zur ethischen Führung entwickeln.
• Peer-to-Peer-Netzwerke und Austauschmöglichkeiten zwischen Führungskräften innerhalb und außerhalb des Unternehmens können eine Plattform bieten, auf der Erfahrungen und bewährte Praktiken im Umgang mit Konflikten geteilt werden.
Konflikte haben Grenzen!
Vielmehr haben Menschen Grenzen und die sollten sie setzen und kommunizieren. Führungskräfte dürfen – sie müssen sogar! – STOPP sagen.

Nicht jeder Konflikt erfordert die gleiche Aufmerksamkeit. Führungskräfte müssen in der Lage sein, Konflikte nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit zu priorisieren und ihre Ressourcen ebenso wie die des Unternehmens zu verteilen.
Sie dürfen sich bewusst Zeit für Selbstfürsorge nehmen. Das bedeutet, ausreichend Pausen einzulegen, gesund zu leben und professionelle Unterstützung zu suchen, wenn sie überlastet oder gestresst sind. Es ist wichtig, klare Grenzen für die eigene Verfügbarkeit und Erreichbarkeit zu setzen. Führungskräfte sollten Zeiten für die Arbeit und Zeiten für die Erholung festlegen, um Work-Life-Balance zu gewährleisten.

Die Fähigkeit, sich abzugrenzen und Unterstützung zu suchen, ist entscheidend, um Burnout und Gesundheitsprobleme zu vermeiden und langfristig effektiv in der Führungsrolle agieren zu können. Abgrenzung ist daher unbedingt auch notwendig, um Produktivität des Unternehmens sicherzustellen.

Fazit

Konfliktmanagement für Führungskräfte ist und wird noch mehr eine Schlüsselkompetenz unserer Arbeitswelt. Es ist immer auch eine Führungsaufgabe, aber definitiv keine alleinige. Mentorings, Mediationsangebote und Coachingnetzwerke können dazu beitragen, dass unsere Arbeitswelt gleichermaßen emotional und rational auf die Herausforderungen der Zukunft ausgerichtet ist. Multiple Krisen brauchen ein Netzwerkkonfliktmanagement. Es trägt dazu bei, die Produktivität zu steigern, die Arbeitsbeziehungen zu erhalten und die Organisation und ihre Mitarbeitenden widerstandsfähiger gegenüber äußeren Herausforderungen zu machen.

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