„Mit dem Begriff Sweet Spot oder Sweet Area wird in unterschiedlichen Themengebieten eine Art effektive Zone bezeichnet. Wenn sich etwas im Sweetspot befindet, hat es bzw. erhält es die optimale Wirkung.“ So definiert es Wikipedia.
Das dafür verwendete Modell besteht aus drei sich überschneidenden Kreisen. Sie symbolisieren zum einen den Kunden, die Konkurrenz und das eigene Angebot. Dabei werden die Eigenschaften aller Marktteilnehmer erfasst und Schnittstellen identifiziert.
Was das mit der Arbeitswelt zu tun hat? Eine ganze Menge…
Im Spannungsfeld der Transformation
Die digitale Transformation führt zu Spannungsfeldern. Und es betrifft immer Menschen. So gibt es Interessens- und Zielkonflikte zwischen der Forderung nach Flexibilität einerseits und dem Bedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit auf der anderen Seite. Dieser Konflikt zeigt sich in so vielen Bereich. Natürlich nicht nur in der Arbeitswelt, aber hier verdichten sich Bedürfnisse stärker als früher. Während im „old work“ die Rollen vermeintlich gut verteilt und vor allem abgegrenzt waren – durch Arbeit hat man materielle Bedürfnisse befriedet und in der Freizeit die individuellen – finden sich heute solche Trennungen immer weniger. Das ist nur folgerichtig, denn viel zu oft sind sie künstlich erzeugt worden. Der arbeitende Mensch ist eben kein anderer Mensch als der „frei habende“ Mensch.
Die Transformation ist also längst nicht mehr allein eine vom analogen zum digitalen Arbeiten, sondern eine von „old work“ zu „new work“. Das wiederum bedeutet, dass emotionale, persönliche, unternehmerische, finanzielle, gesundheitliche, globale, nachhaltige, soziale, altruistische und egoistische Bedürfnisse zusammentreffen. Die Kunst der Transformationen der Arbeitswelt ist es, diese Bedürfnisse zu verschmelzen und das „Aufeinanderprallen“ abzufedern.
Transformation auf der Bühne der externen Effekte
Theoretisch hört sich das gut an – in der Praxis ist genau das unsere große Herausforderung.
Wenn ich auf die letzten zwei bis drei Jahre zurückblicke, dann haben sich die Themen kaum verändert. Es geht um Arbeitszeit, um Vergütung, um Organisationen, Vereinbarkeit und Bedürfnisbefriedigung. Was sich zusätzlich verändert hat und den letzten Jahren diese besondere Dynamik verliehen hat, sind die externen Einflüsse auf unsere oft doch vergleichsweise „abgrenzte“ Arbeitswelt. Das einzelne Unternehmen, das eigene Team, die nationale Perspektive haben wir doch sehr oft als „in a nutshell“ betrachtet. Organisationsentwicklung ist etwas, dass im Unternehmen stattfindet und die Umweltfaktoren doch recht stark ausblendet – oder zumindest auf einige wenige reduziert. Unternehmen und Teams haben sich unter ceteris-paribus-Bedingen verändert (= alle anderen Dinge bleiben konstant). Ausdruck gefunden hat das in Think Tanks, Inkubatoren und Experimentierräumen. Die Ergebnisse solcher Keimzellen in die Lebenswirklichkeit zu übertragen, ist in den letzten Jahren schwieriger denn je geworden.
Corona, Ukraine, Energiekrise, Fachkräftemangel, Leadership-Diskussionen, Achtsamkeit, Selbstverwirklichung – die digitale Transformation ist ein Treiber einer Arbeitswelt 4.0, aber längst nicht mehr der zentrale. Um unsere Arbeitswelt bewegen sich Veränderungsfelder wie Planeten um die Erde. Und scheinbar gibt es immer wieder neue zu entdecken.
Codewort „Agilität“
Und doch bleibt die Antwort die gleiche, die ich Unternehmen, Mitarbeitenden und Kund:innen auch schon vor einigen Jahren gegeben habe: es ist Agilität. Nicht als Allheilmittel und nicht als Buzzword, sondern als gelebte Transformationskompetenz.
In Arbeitszusammenhängen, in denen ich mich mit meinem Team, meinen Themen und meinen Beratungsfeldern bewege, lassen sich die folgenden Indikatoren agilen Arbeitens feststellen:
• Auflösung starrer Arbeitsinhalte,
• Schaffung neuer (Arbeits-)räume,
• variable Gestaltung von Arbeitszeiten,
• Organisationen als Netzwerke,
• ein erweitertes Performance-Verständnis.
Ein großer Bestandteil dieser Agilitätskompetenz ist die Fähigkeit mit Unperfektheit, mit Zufall und mit Fehlern umgehen zu können.
Agilitätskompetenz bedeutet also auch, viel individueller auf Wünsche und Präferenzen eingehen zu können. Dem entgegen steht der Wunsch nach Planbarkeit und Kontrolle.
Mein Sweetspot: Mensch – Agilität – Leitplanke
Es scheint paradox: Unternehmen und mit ihnen auch die Menschen, die hier arbeiten, wollen sich so flexibel wie möglich aufstellen und genau das aber mit Netz und doppeltem Boden absichern.
Ganz oft höre ich dann aus dem #NewWork Lager: das kann doch nicht Sinn der Sache sein. Selbstorganisation heißt doch auch SELBST etwas regeln zu können im Bedarfsfall und durch eben diese absolute Freiheit und Risikobereitschaft Innovation und Mehrwert zu generieren.
Während auf der anderen Seite der Arbeitswelt die „Old Worker“ aus den Büroetagen die Menschen zurück in die Büros zitieren und Arbeitszeiten erfassen wollen (bzw. müssen!).
Es ist eben nicht das eine oder das andere. Wenn wir begreifen, wie unterschiedlich Menschen ticken, wie verschieden deren Bedürfnisse sind, dann verstehen wir auch, warum wir ein Geflecht aus Flexibilität und Sicherheit brauchen. Es wäre viel zu (zeit)aufwändig wirklich in jedem Einzelfall eine neue Regelung zu diskutieren. Bei aller Flexibilität gibt es dann doch auch ausreichend Fälle, die ähnlich gelagert sind und für die man Lösungen vorbereiten kann.
Wichtig ist, dass wir solche agilen Vereinbarungen immer weder auf den Prüfstand stellen: passen die Regelungen noch zu den Teams und für die Menschen, mit denen wir arbeiten wollen? Das genau ist der Kern agiler Betriebsvereinbarungen. Es ist ein Pakt mit der Transformation – flexibel bleiben, aber gleichzeitig trittsicher.
Das ist mein Sweetspot!
Fazit
Agile Organisationen und Strukturen sind eng an Kunden und Mitarbeitern orientiert. Das passt gut zu den eingangs erwähnten drei sich überschneiden Kreisen.
Wenn sich Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden auf den Weg in eine digitale oder agile Transformation ohne ceteris-paribus-Umwelt machen, dann braucht es Vertrauen und eine Kompetenz, neue und bedürfnisgerechte Lösungen zu (er-)schaffen.
Agilität ermöglicht immer wieder kurze Sprints. Ähnlich wie die Globalisierung und die Digitalisierung sind Kurz- und Langfristigkeit ständige Mit- und Gegenspieler in agilen Zusammenhängen. Diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen und als Innovationstreiber anzuerkennen – das macht den Sweetspot von hybridem Arbeiten aus! Die Balance aus old work und new work. Der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Auch und erst recht in 2023!