Vernetztes Arbeiten: "Man muss auch gönnen können" Britta Redmann

Vernetztes Arbeiten: „Man muss auch gönnen können“

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-…wer das nicht kann, der sollte lieber alleine weitermachen. Letztens noch agil und dieses Jahr vernetzt? Ein Widerspruch oder eine Notwendigkeit? Viele reden vom „sich vernetzten“, Unternehmen wandeln sich zur Netzwerkorganisation, kollaboratives (also vernetztes) Zusammenarbeiten ist trendy… doch was bedeutet es konkret, vernetzt in einem Unternehmen zu arbeiten und was braucht es dazu, damit es vor allem funktioniert?

Was sind Netzwerke in Organisationen?

Wir alle nutzen sie täglich und ja, wir selbst sind als Mensch ein eigenes komplexes Netzwerk, Teile von uns, wie z.B. unser Gehirn, ist ein Netzwerk, doch wie beschreibt man etwas, was in so vielfältiger Art vorkommt? Was allem gemeinsam ist, ist ein ein System, das über eine Menge von Elementen – sogenannten „Knoten“ – verfügt und über diese Knoten miteinander verbunden ist. Die Verbindung mehrerer Knoten zu einer Gesamtheit ist dann das Netzwerk.

Im unternehmerischen Kontext sprechen wir von Netzwerkorganisationen als eine Form der Aufbauorganisation. Wie bei allen Organisationsformen ist sie eine Möglichkeit, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in einem betrieblichen Gefüge zu verteilen. Dabei kann sich eine Netzwerkorganisation dadurch auszeichnen, dass ihre Mitglieder weitestgehend autonom handeln und durch gemeinsame Ziele langfristig miteinander verbunden sind. Dadurch ermöglichen sich in Netzwerkorganisationen stabile, kooperative und komplexe Beziehungen zwischen den beteiligten Partnern.

Warum wird vernetztes Arbeiten in Unternehmen immer wichtiger?

Unsere Umwelt und damit auch unsere Arbeitswelt werden komplexer. Für Unternehmen heißt das, sie sind quasi gezwungen, sich schnell veränderten Bedingungen des Marktes und damit auch der Kunden anzupassen. Veränderungen müssen antizipiert, erkannt und aktiv angegangen werden. Empirische Studien haben gezeigt, dass das Überleben von Organisationen von bestimmten Prinzipien abhängt. Danach hatten große Organisationen einen Vorteil in Märkten, die sich nur teilweise oder sehr eindimensional ändern. Kleinere Organisationen hatten einen Vorteil in solchen Märkten, die sich vollständig und auch mehrdimensional ändern.

Die Schnellen überholen die Langsamen

Eine hohe Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit sorgt also für eine stabile Marktbehauptung. Ein Netzwerk ist stabil und gleichzeitig wendig. Das ist der Grund, warum sich Unternehmen verstärkt damit auseinandersetzen, ihre Strukturen und Organisationsformen hin zu einer vernetzten Organisation zu verändern.

Netzwerke sind stabil und wendig zugleich

Netzwerke als agile Gefüge

Was zeichnet Netzwerkorganisationen in ihrer Struktur aus? Im besten Fall verbinden sich Netzwerke im „außen“ wie im „innen“. Für Organisationen heißt das, sich zum einen mit der Umwelt, der Gesellschaft, dem Markt, den Kunden, den Mitbewerbern etc. zu koppeln und wahrzunehmen, was dort außerhalb des eigenen Unternehmens passiert. Im inneren, also in der eigenen betrieblichen Organisation, verhelfen Netzwerke zu einem direkten Austausch. Dadurch ist es möglich, frühzeitig zu erkennen, was meine Mitarbeiter bewegt und ihnen wichtig ist.
In einer Netzwerkorganisation gelingt es viel einfacher, Aufgaben schnell anzupassen, wenn dies von außen, z.B. durch den Kunden oder den Markt – gefordert wird. Es bestehen meist übergreifende Teams. Es gibt wenig bis keine Hierarchie, da eine Netzwerkorganisation gerade dadurch gewinnt, dass Mitarbeiter selbstbestimmt verantwortlich entscheiden. Tätigkeiten von Mitarbeitern sind nicht starr, sondern breit aufgestellt: Jeder soll „immer und überall“ seinen Einsatz und Beitrag leisten können, wo es für das Ergebnis förderlich ist. Informationen fließen an viele oder alle gleichzeitig. Somit erhalten Mitarbeiter zeitnah einheitliche Kenntnisse. Dadurch kann Wissen als auch Erfahrungen miteinander schnell geteilt und aufgebaut werden. Alles was kommuniziert wird, wird einfacher transparent.
Auf diese Weise können sich ganze Unternehmen oder einzelne organisatorische Einheiten schnell und sehr aufgabenfokussiert immer wieder neu an Veränderungen ausrichten. Netzwerkorganisationen sind daher meist agile Gefüge.

Struktur ist nur ein Faktor für Erfolg

Doch Struktur und schlanke anpassungsfähige Abläufe sind nur ein Faktor für den Erfolg. So arbeiten in Organisationen Menschen zusammen. Menschen funktionieren nicht auf Knopfdruck oder allein durch Regel- oder Strukturwerke. Damit eine Organisationsform funktioniert – und dabei ist es ganz egal welche – ist es notwendig, dass Mitarbeiter sich darin zurechtfinden. Und sogar mehr als das: Mitarbeiter stützen und bestärken mit ihrem Tun und Handeln überhaupt eine Aufbauorganisation. Es braucht daher immer Menschen, die zu dieser Struktur passen und Vernetzung leben und lebendig halten.

Was brauchen Menschen, damit Vernetzung gelingt?

Damit alle Mitarbeiter und Kollegen zusammenarbeiten – also auch Mitarbeiter mit ihren Chefs zusammenarbeiten und nicht lediglich „für sie“ arbeiten brauchte es vor allem drei Dinge:

Klare Ausrichtung. Klare Entscheidungsbefugnis. Klare Haltung.

 

1. Klare Ausrichtung

Fangen wir von vorne an, mit der klaren Ausrichtung. In Netzwerken geht es um das gemeinsame Ganze. Wenn Mitarbeiter autonom und selbstbestimmt in Netzwerken handeln (müssen!), dann bedarf es eines klaren Zieles, woran sich ihr Handeln orientiert. Andernfalls laufen Netzwerkorganisationen Gefahr, das jeder in eine andere Richtung läuft. Stabile, kooperative und komplexe Beziehungen für die gemeinsame Sache zu schaffen, funktioniert dann nicht. Eine Netzwerkorganisation braucht daher umso mehr eine Vision, eine Richtungsweisung, eine gemeinsame tragende Idee, bzw. eine Vorstellung, wohin es gehen soll.

 

2. Klare Entscheidungsbefugnis

Möchten Unternehmen verantwortungsvolle Mitarbeiter haben, die eigenständig die möglichst beste Entscheidung für das Unternehmen und/oder auch für den Kunden treffen, so ist ein eigener Entscheidungsspielraum und Vertrauensrahmen unabdingbar. Hier heißt es loszulassen von bis ins kleinste hinein reglementierten Befugnissen, genauso wie von der Erwartung, „dass alles immer klappen muss“. Soll eine Netzwerkorganisation ihre volle Kraft entfalten, müssen Mitarbeiter Entscheidungsfreiräume haben. Diese Freiräume sollten vorher abgesteckt sein. Diese Freiräume beinhalten auch die Verantwortlichkeit für Fehler. Es gibt nicht immer die Garantie für die einzig „richtige“ Entscheidung. Insofern sind hier Erfahrungen zu zulassen, aus denen gelernt werden kann. Für beide Seiten, sowohl für den Mitarbeiter als auch für den Arbeitgeber, bedarf es einer Risikobereitschaft für Fehler. Wenn getroffene Entscheidungen nicht zum erhofften Erfolg geführt haben, muss der Mitarbeiter mit seiner „Fehl-Entscheidung“ umgehen und daraus lernen. Der Unternehmer muss weiterhin vollstes Vertrauen in seinen Mitarbeitern haben, dass dieser weitere eine bestmögliche Entscheidung trifft und jederzeit sein Bestes gibt. Beide benötigen Vertrauen: in sich selbst und vor allem auch in den anderen. Um Entscheidungsspielräume zu geben ist ein Vertrauen in den Mitarbeiter, dass er jederzeit sein Bestes gibt unabdingbar.

 

3. Klare Haltung

Kommen wir zum dritten wichtigen Faktor, der „Netzwerk-Haltung“. Hier geht es um eine selbst definierte Art und Weise, sich auf andere Menschen, Situationen und Begebenheiten einzulassen. Bei einer Netzwerkorganisation ist das „gemeinsame wollen“ die entscheidende Kraft, die das Netzwerk emotional trägt. Eine partnerschaftliche Beziehung – wie Netzwerke sie schaffen – heißt, nicht nur meinen eigenen Vorteil allein zu betrachten, sondern mich für die Sache einzusetzen, derentwillen es ein Netzwerk gibt. Oder anders ausgedrückt: Netzwerkorganisationen können nur dann funktionieren, wenn diejenigen die sich darin „aufhalten“, dies auch wirklich tun wollen. Sich also wirklich austauschen und miteinander in Beziehung bringen wollen. Eben im Sinne der Sache zusammen zu arbeiten und entsprechend daran das eigene Handeln immer wieder auszurichten. In der Kommunikation, in der Information und in der eigenen Einstellung. Vernetztes Arbeiten ist die Arbeit an einer großen gemeinsamen Win-Win-Lösung.
Es bedarf daher einer Haltung, nicht nur alleine auf meinen Vorteil oder mich alleine zu schauen. Vielmehr ist genauso der Nutzen des anderen oder der Nutzen für die Gemeinschaft, in diesem Fall das Unternehmen und des Kunden, im Auge zu haben. Konsequenterweise heißt das, den Vorteil und Nutzen des anderen immer mit zu verfolgen und zu fördern. Vernetztes Arbeiten zeichnet sich darin aus, dass es Vorteile für alle schafft.
Das bedeutet nicht, dass vernetztes Arbeiten völlig selbstlos ist oder der einzelne keinen Erfolg für sich haben darf. Es geht vielmehr darum, dass der Erfolg des einzelnen auch der Gemeinschaft dient. Im unternehmerischen Kontext also, dass der Erfolg des einzelnen auch einen Nutzen für das Unternehmen und/oder den Kunden bringt.
Das bedarf der Fähigkeit, das große Ganze im Auge zu behalten und Chancen auf Vernetzung immer wieder zu suchen und zu erkennen. Ja, das erfordert ggf. ein ganz neues Denken, sofern das bisherige Umfeld oder auch die handelnden Personen sehr Wettbewerbs- und Konkurrenz geprägt sind.

Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken grenzt ab – vernetztes Denken schafft den gemeinsamen Fokus.

Besonders bei Führungskräften spielt daher ihr grundsätzliches Menschenverständnis eine entscheidende Rolle, ob sie vernetztes Arbeiten in einem Unternehmen fördern oder behindern. Hier kommt es daher um so mehr auf ihre Haltung und der Fähigkeit, „gönnen zu können“ an.

Fazit:

Wenn Unternehmen mit einer Netzwerkorganisation erfolgreich sein wollen, bedarf diese eine funktionierende vernetzte Arbeit untereinander zwischen allen Beteiligten.

„Alle“ sind auch wirklich alle, also Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam. Bei vernetztem Arbeiten geht es dabei weniger um Hierarchie als mehr um das verantwortliche Tun des Einzelnen, ausgerichtet an der gemeinsamen Sache, dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens. Der Erfolg eines Einzelnen wird als nützlich für die Gruppe erkannt und ihm gegönnt. Denn Menschen in einem Netzwerk verstehen sich als Partner und arbeiten als solche zusammen. Ein „führen von oben herab“ und vor allem ein Konkurrenzdenken widerspricht einer vernetzten gemeinsamen Zusammenarbeit. Das eigene Menschenverständnis und bei Führungskräften daher insbesondere ihr Führungsverständnis trägt daher entscheidend für den Erfolg bei, ob vernetztes Zusammenarbeit in Unternehmen gelingt.

Quellen/Hinweise:

1) Redmann, Britta, Agiles Arbeiten im Unternehmen, Haufe 2017
2) Vortrag Prof. Fischer „Agilität, was ist das, wozu brauchen wir sie und wie bilden wir sie aus? auf HR Agile Conference, 2017, Köln
3) siehe auch: http://www.huffingtonpost.de/britta-redmann-/von-darth-vader-superheld_b_18356634.html 

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