Betriebsrat Bällebad Britta Redmann

New Work: Mit dem Betriebsrat im Bällebad

Inhalt

Woran denken wir, wenn wir an New Work denken? Ist es ein StartUp, das in einem coolen Gebäude mit einem jungen Team hippe Produkte an weißen Wänden mittels Kreidestiften und bunten Post-Its designed? Oder sind es eher glückliche Mitarbeitende, die wir vor Augen haben, die sich an der Kaffeelounge austauschen, die von überall arbeiten, permanent kommunizieren, reflektieren, neue Ideen entwickeln? Sind es die IT-Unternehmen, die jetzt alle mit agilen Methoden arbeiten und sich in ihren Teams selbstorganisieren, keine Führungskräfte mehr brauchen, dafür aber neue andere Rollen wie den PDO und ScrumMaster?
Sind es die flexiblen Arbeitszeiten, an die wir denken, die Großraumbüros, die Sinnsuche, das Jobbike, das selbstgewählte Gehalt… oder ist es der Betriebsrat? Ups! (Hüsterchen…) Bitte was? Der Betriebsrat???

Betriebsrat: Eine etablierte Rolle in der Veränderung

Richtig! Der Betriebsrat! Dieses Gremium wird sicherlich in den wenigsten Fällen spontan mit New Work in Verbindung gebracht…und wenn es dann erwähnt wird, erlebe ich es, dass man es in vielen Fällen eher skeptisch als „Verhinderer“ von neuen Arbeitsformaten ansieht.
Was sicherlich richtig ist: Der Betriebsrat ist ein etabliertes Gremium der Old Economy und hat eine lange Historie. Es ist in der Tat kein „New Work-Produkt“.
Doch genauso wie sich im Rahmen von neuer Arbeit traditionelle Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Rollen verändern, ändert sich auch die Rolle des Betriebsrates. Das bleibt in einer vom sich im Wandel befindenden Arbeitswelt gar nicht aus. Und unsere Arbeitswelt ist im Wandel: Hierarchien werden flacher oder fallen weg, Arbeitsweisen verändern sich und vor allem: Viele Mitarbeitende werden selbstbewusster, eigenverantwortlicher und wollen als Konsequenz mehr eigenen Entscheidungsraum in ihrem täglich Tun. Und auf der anderen Seite brauchen Unternehmen heutzutage in unserer sich immer auf´s Neue und schnell drehenden Arbeitswelt genau solche Mitarbeiter, die Mit-Verantwortung übernehmen, Chancen erkennen, Risiken antizipieren und sich mit ihrem Tun im Unternehmen entfalten können. Solche Mitarbeitende lassen sich jedoch nicht mehr zu jeder Handlung „anweisen“ und machen alles mit – solche Mitarbeitende wollen selber denken, selber entscheiden und mitgestalten. Am besten auf Augenhöhe.

New Work und agiles Arbeiten – und wo bitte finden sich hier Betriebsräte wieder?

Klar, in neu gegründeten StartUps gibt es in der Tat selten Betriebsräte.
Meistens finden sie sich in tradierten Organisationen. Jetzt sind diese zwar nicht unbedingt die Vorreiter von New Work – jedoch beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit der Frage, wie es gelingen kann, agiler zu werden, anders zusammenzuarbeiten, mehr Freiraum für Mitarbeitende zu schaffen und dadurch auch mehr Flexibilität und auch Innovation zu erreichen. Wenn ich Unternehmen sage, meine ich hier in erster Linie Arbeitgeber – vereinzelt auch Mitarbeiter.
Wen ich wenig höre: die Betriebsräte.

Der Betriebsrat als Gestalter von New Work

Und dabei ist es doch so:
Betriebsräte sind das Sprachrohr der Belegschaft und für Interessensgruppen. Betriebsräte können damit auch Themen offen legen, die dann angegangen werden können und die damit auch agiles Arbeiten leichter machen.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist dabei die Grundlage. Eine Grundlage, die für eine erfolgreiche agile Zusammenarbeit die Basis darstellt. Diese Basis des Vertrauens in der Zusammenarbeit ist – wenn man so will – bereits als ein Gebot im Betriebsverfassungsgesetz verankert: § 2 Abs. 1 BetrVG achtet darauf, dass zum Wohl des Betriebes und zum Wohl der Belegschaft zusammen zu arbeiten ist. Beide – Arbeitgeber und Betriebsrat haben daher (gemeinsam) die Aufgabe, beide Aspekte immer im Blick zu haben. Hierzu gehört auch, die Interessen des Kunden im Blick zu haben – weil das auch wiederum im Interesse des Betriebes ist.
In der Praxis ist es oft so, dass die Arbeitgeberseite nur die eine Seite beleuchtet– und der Betriebsrat nur die andere Seite. Dabei stehen sich beide Parteien per Definition „gegenüber“. Der Job ist jedoch eigentlich beide Seiten zu berücksichtigen. Sie zu verbinden und aus diesem Gegenüber ein Miteinander zu gestalten, dass das Unternehmen als Ganzes weiterbringt. Ein anderes Ziel darf es gar nicht geben. Und unter diesem Gesichtspunkt gehören auch neue Arbeitsformen, wie z.B. agiles Arbeiten dazu oder auch Formen der Zusammenarbeit, wie sie bei New Work gelebt werden.

Betriebsräte können auch eine wichtige begleitende Funktion haben: Mitarbeitenden, die eher vorsichtig sind und sich hier noch einmal anders austauschen wollen, als vielleicht beim Vorgesetzen oder der Personalabteilung bieten sie hier ein „Ohr“ und können eine Vertrauensfunktion wahrnehmen. Dadurch können sie Ängste lindern, z.B. dass Mitarbeitende nicht ausgebeutet werden und auch Belange wie Gesundheit und auch Bedürfnisse von Mitarbeitenden Berücksichtigung und Gehör finden. Gerade durch diese Funktion tragen Betriebsräte stark zu einer Sicherheit in der Veränderung bei.
Der Betriebsrat kann in seiner Rolle Fehlentwicklungen bremsen genauso wie eben auch gute Entwicklungen fördern und begleiten. Er wirkt als Stakeholder – was sich dann letztendlich auch wieder positiv auf den Kunden auswirkt.

New Work – ein Auftrag für den Betriebsrat aus dem Gesetz?

Mit neuen Arbeitsformen wird dem Gesetz durchaus Rechnung getragen. So findet sich in § 75 Abs. 2 BetrVG die Maßgabe, dass Arbeitgeber und Betriebsräte die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern haben. Gleiches gilt für die Selbstständigkeit und Eigeninitiative: „Arbeitgeber und Betriebsrat sind zu Förderung der Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer verpflichtet.“ Heißt, dass den einzelnen Mitarbeitenden im Rahmen von arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben möglichst weitgehende Entscheidungsbefugnisse übertragen werden und ihnen Raum für kreative, selbstgestaltende und eigenverantwortliche Arbeit belassen wird, die nicht von zu viel Weisungsgebundenheit eingeschränkt ist. Damit enthält diese Vorschrift nicht nur eine Schutzpflicht, sondern sogar eine Verpflichtung für Arbeitgeber und Betriebsräte, Arbeitsbedingungen und Umfeld positiv zu gestalten.
Genau das wird mit NewWork und neuen Arbeitsformen getan, in dem sich hier konkret damit beschäftigt wird, wie für Mitarbeitende ein bestmögliches Arbeitsumfeld und ein kollegiales, werteorientiertes Miteinander geschaffen werden kann, das natürlich auch immer dem Unternehmenszweck dient.

Neuerfindung des Betriebsrates

Dass der Betriebsrat sich selbst dazu an manchen Stellen neu erfinden muss, passt doch nur zu gut in diesen Prozess des Wandels – denn er „testet“ Transformationen an sich selbst und wer ausprobiert darf mitreden! Sitzungen des Betriebsrates, der Betriebsversammlungen und die Fassung von Beschlüssen waren „vor Corona“ nicht digital möglich, sondern nur mit eigener physischer Anwesenheit. Das passt nicht zur Realität moderner Unternehmen. Ein virtuell beschlussfähiger Betriebsrat aber ist ein Unterstützungsgremium, das neue Arbeitsformen kritisch hinterfragen muss, aber eben nicht per se verhindern darf. Er kann aber altes und neues Arbeiten verbinden und dann ist er ein unglaublich starkes, innovatives Gremium. Das wiederum passt perfekt zu einer Phase der Veränderung in Unternehmen, in der nicht alles Alte weg muss und durch Bällebad und Tischkicker ersetzt wird.
Denn es geht eben nicht darum, die gesamte Organisation auf größtmögliche Agilität zu trimmen. Stattdessen müssen Unternehmen lernen, den für sich perfekten Mix aus traditionellen und agilen Formen der Zusammenarbeit zu finden. Und dazu gehören Betriebsräte 2.0.

Fazit

Betriebsräte haben es in der Hand: Sie können unter dem Dach des Betriebsverfassungsgesetzes Veränderung verhindern oder verlangsamen oder sie durchbrechen die Frontenbildung der Old Economy und gestalten im Dreiklang aus Management, Team und Betriebsrat neues Arbeiten aktiv mit.
Es gibt quasi einen „gesetzlichen Auftrag“ zu New Work J. Der Betriebsrat kann im Sinne der Anregung des Gesetzes mit agilem Arbeiten und New Work eine Entwicklung fördern, die gewollt ist.

Quellen/Hinweise

Beck online: Erfurter Kommentar BetrVG § 75, Richardi, § 75 BetrVG

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