Kultur und Unternehmenskultur Britta Redmann

Alles eine Frage der Kultur

Inhalt

Die Corona-Pandemie trifft das gesellschaftliche wie das wirtschaftliche Leben gleichermaßen. Den Unternehmen, denen es gelingt, eine schnelle Anpassungsfähigkeit in ihrem Arbeitsalltag zu leben, können gestärkt aus Herausforderungen wie Corona und der damit verbundenen weltweiten Wirtschaftskrise hervorgehen. Je trainierter Unternehmen hier in der Umsetzung sind, je gewohnter es für Mitarbeitende sein wird, innerhalb kurzer Zeit in einen anderen Arbeitsmodus umzuswitchen, desto stabiler und sicherer werden Menschen und Unternehmen bei zukünftigen Herausforderungen sein. Es wird unumgänglich sein, tradierte Geschäftsmodelle an eine agile Unternehmenskultur anzupassen.

Kultur und Subkultur

Gerade diese Frage nach und die Bedeutung einer Unternehmenskultur beschäftigen mich immer wieder. Denn „Kulturen“ – die spielen in Unternehmen eine immer größere Rolle. Dabei bilden sich unter der Unternehmenskultur Subkulturen wie die der Fehlerkultur, der Streitkultur, der Meetingkultur…
Geradezu ein Kult um die Kultur – manches Unternehmen verpasst sich direkt einmal Kulturprogramme.

Der Kulturbegriff

Fangen wir vorne an – Kultur ist die Grundlage aller Interaktionen. Sie ist – um eine Beschreibung von Spencer-Oatay zu bemühen:
„…die Gesamtheit von Attitüden, Grundsätzen, Annahmen, Werten und Wertvorstellungen, Verhaltensnormen und Grundeinstellungen, die von einer Gruppe geteilt werden, die das Verhalten von Gruppenmitgliedern beeinflussen und … das Verhalten anderer interpretieren.“
Wenn man dieser Ausführung folgt, dann entsteht Kultur durch wiederkehrende Verhaltensmuster. Was sie also ist können wir nur in der Retrospektive sagen – eben wenn sie aus ganz vielen Elementen entstanden ist. Ein Blick zurück für eine innovative Zukunft? Unbedingt! Es ist gar nicht schlecht einen Blick zurück zu werfen und zu analysieren, was wir bis jetzt in unseren Unternehmenskulturbeutel haben, um den Unsicherheiten der Zukunft entgegen zu treten.
Gleichzeitig können wir Kultur auch nur erfassen, wenn wir uns ihrer ganzen Mächtigkeit bewusst sind. Kultur reicht zurück bis an den Anfang unserer Zeitrechnungen – die der Römer glauben wir hier in Europa zu verstehen, die Ägypter sind schon ein bisschen mysteriöser und bei den indigenen Völkern, die von der von der nationalen Gesellschaft bezüglich ihrer Selbstidentifikation zu unterscheiden sind, scheitern wir fast immer noch.
Ganz verkürzt macht dies deutlich, wie groß Kultur ist und wie naiv unbeschwert wir versuchen unserer Organisation „mal eben“ eine neue verpassen zu wollen.

Kultur öffnet Horizonte

Wenn wir unterwegs sind – auf Reisen, in Museen und Konzerten, wenn wir Menschen beobachten oder deren Architektur oder Sprache: dann erleben wir Kultur. Während sich der eigene Horizont erweitert, verändert sich gleichzeitig unser Kulturverständnis. Marginal vielleicht nur, aber es ist immer in Bewegung.
Genauso bewegt sich Unternehmenskultur. Mit jedem neuen Mitarbeiter, mit dem Umzug in ein neues Büro, auch mit dem „Auszug“ ins Home Office verändert sich unsere Unternehmenskultur. Es kommt immer etwas Neues dazu. Und – das ist extrem wichtig immer im Hinterkopf zu haben! – es fällt nie etwas weg. Kultur hat ein unbegrenztes Gedächtnis. Darum fällt auch immer irgendjemandem ein, dass man das doch sonst anders gemacht hätte. Dass ein Prozess schon immer so war. Dass es das früher nicht gegeben hätte.

Gemeinsames Kulturverständnis

Diese ständige Veränderung der Unternehmenskultur – sowohl durch die Akteure in der Organisation wie auch durch die Einflüsse von außen – bedingt, dass wir kulturelle Regelungen treffen. Spielregeln, damit wir nicht zum Spielball all dieser dynamischen Kräfte werden. Zu diesen Regeln gehören ganz banale Dinge, über die wir uns kaum mehr verständigen – eigentlich. Zu einer Meetingkultur gehört sich aussprechen zu lassen, einander zuzuhören, auf die Relevanz zu achten und effizient zu bleiben. Zur Streitkultur gehören Respekt, Einsicht und Kooperationsbereitschaft.
Des Weiteren gehören dazu abstrakte Regelelemente wie eine Vision, eine Mission und ein Leitbild. Dazu gehören aber auch der Betriebsrat mit seinen Regelungen, der Arbeitsvertrag das Arbeitsrecht, die DSGVO, das Grundgesetz.
Man merkt – so banal ist das gar nicht, wenn diese im Unternehmen geltenden Regeln plötzlich durch den äußeren Wandel in einen neuen Zusammenhang, nämlich den virtuellen Raum, gestellt werden. So kleinteilig ist Kulturwandel – und gleichzeitig so immens. Egal an welcher Schraube wir drehen: wir bewegen immer etwas Großes!

Kulturwandel liebt Selbstorganisation

Kultur ist Evolution. Ein Vergleich mit biologischen Prozessen ist eine andere Näherungsweise an die Dimension von Kultur. Wenn wir alle Veränderungen, die wir selbst anstoßen und denen wir ausgesetzt sind als evolutionäre, biologische und kulturelle Entwicklungsprozesse verstehen, dann ist so eine Unternehmenskultur ein gewaltiger DNA Strang aus unzähligen Zellen, die ständig mutieren. Den kann kaum jemand autark steuern. Diesen Prozess kann man auch weder von unten noch von oben aufsetzen. Unternehmenskultur verlangt, dass wir alle daran mitarbeiten und erlaubt, dass wir alle mitgestalten. Wir dürfen Ihr einen Rahmen bieten und müssen ihr auch Regeln geben. Selbstorganisation innerhalb dieser Leitplanken ermöglicht dann Veränderung, schützt aber gleichsam vor unerwünschten Ausbrüchen bzw. kann – wenn solche durch ein Übermaß an interner Spannung oder externem Druck doch passieren – damit diesen umgehen. Oberster Leitrahmen der Kultur einer Organisation ist dabei immer das gemeinsame Ziel: das Produkt oder das Projekt.

Fazit

Unternehmenskultur mag in die Reihe der New Work Buzzwords passen – aber dann bitte mit dem Kultstatus, der ihr gebührt. Denn als sowohl zeitlich (Rückblick plus Ausblick) wie auch inhaltlich (Mensch plus Ausstattung) und von der Blickrichtung her (inside the box plus outside the box) gibt es kaum ein Buzzword, das so viele Epochen überdauert hat und so viele Merkmal in der DNA gespeichert hat. Die Unternehmenskultur lässt ganz viel zu und vergisst gleichzeitig doch nichts. Darauf können wir uns verlassen – das gibt Sicherheit – und gleichzeitig von hier aus die Herausforderung zum ständigen Wandel annehmen.

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