Was ein Arbeitsminister nicht schafft, erledigt dann ein Virus. Ist vor wenigen Monaten noch der Vorstoß von Hubertus Heil einen Anspruch auf Homeoffice mittels eines Gesetzes durchzusetzen gescheitert, hat es aktuell den Anschein als sei dies nun durch die Corona Schutzverordnung durch die Hintertür ermöglicht worden.
Doch ist das wirklich so?
Was ist tatsächlich rechtlich mit der neuen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-Arbeitsschutzverordnung) verpflichtend für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Zielsetzung
Ein kurzer Blick hier noch mal darauf, welche Ziele aktuell denn im Vordergrund stehen. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung ist ein Resultat aus den Beschlüssen der Bundesregierung vom 19.01.2021 und hat das vordringliche Ziel – im Rahmen eines gesamten Maßnahmepaketes – Kontakte weiter zu reduzieren und Mobilität einzuschränken. Damit geht es auch hier insbesondere um die weitere Eindämmung des Coronavirus, des Schutzes der Gesundheit von Beschäftigten bei der Arbeit und damit letztendlich auch um die Unterstützung unserer Wirtschaft. Denn nur wenn Mitarbeiter gesund sind, können sie arbeiten, können Lieferketten aufrecht erhalten werden, können Maschinen bedient werden, etc. Unabhängig davon, dass dann bei weniger Corona Infektionen auch die Krankenhäuser entlastet werden und dort eine medizinische Versorgung sichergestellt ist.
Mit dieser am 20.1.2021 erlassenen Verordnung (die befristet zunächst bis zum 15.03.2021 gilt), ist jetzt das erste Mal eine Grundlage geschaffen worden, die unmittelbare rechtliche Wirkung entfaltet – und auch bei Missachtung z.B. Bußgelder mit sich bringen kann. Das ist ein wesentlicher Unterschied im Gegensatz zu den bisher aufgestellten Regelungen wie den Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards vom 20.4.2020 und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 10.08.2020.
Inhalte & Pflichten
Was sind die wesentlichen Inhalte, die jetzt für Unternehmer durch die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung gelten?
Im Wesentlichen sollen Kontakte mit verschiedenen Maßnahmen in den Betrieben auf angemessene und geeignete Art und Weise reduziert werden. Dazu zählt auch die Ermöglichung von Homeoffice bzw. mobiler Arbeit. Für alle, die weiterhin im Betrieb tätig sind, muss der Arbeitgeber nunmehr medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung stellen. Bestehende Gefährdungsbeurteilungen sind auf diese Vorgaben zu überprüfen und anzupassen. Schauen wir zunächst einmal auf Maßnahmen in Betrieben:
Maßnahmen im Betrieb & Checkliste
Kontakte im Betrieb sollen auf das betriebsnotwendigste reduziert werden. Um dies zu erreichen, sind technische und organisatorische Maßnahmen im Sinne des betrieblichen Infektionsschutzes zu verwirklichen, die Kontakte reduzieren. Ein Arbeitgeber hat daher folgende To do´s für sich zu prüfen und am besten auch seine Entscheidung zu dokumentieren:
Check:
• Welche betrieblichen Zusammenkünfte oder Treffen sind wirklich in was für einem Zeitrahmen notwendig, um den betrieblichen Ablauf und Prozesse aufrecht zu erhalten?
• Können betriebsnotwendige Treffen online durchgeführt und durch die Nutzung von entsprechenden digitalen Tools ein notwendiger Austausch sichergestellt werden?
o Welcher geeigneter technischen Geräte und digitaler Tools bedarf es hierzu?
o Ist eine Aufwandsabschätzung erfolgt?
o Sind organisatorische Maßnahmen hierzu angedacht und getroffen worden?
o Gibt es ggf. ein Stufenkonzept?
o Welche pragmatischen Lösungen gibt es, wie z.B. ob die Bereitstellung von technischen Geräten zunächst durch den Mitarbeiter erfolgen kann?
• Sind betriebliche Zusammenkünfte nicht zu vermeiden und können auch nicht durch die Verwendung von digitalen Tools ersetzt werden, ist zu prüfen, wo und wie eine Raumnutzung so entzerrt werden kann, dass Räume nicht gleichzeitig von mehreren Mitarbeitern genutzt werden?
o Sofern mehrere Mitarbeiter gemeinsam einen Raum gleichzeitig nutzen müssen: ist sichergestellt, dass jeder eine Mindestfläche von 10 m2 um sich herum hat?
o Sind andere geeignete Schutzmaßnahmen wie insbesondere Abstände, ggf. Abtrennungen, Lüftung, Schichtsysteme, unterschiedliche Arbeits-/Pausenzeiten, etc. am Arbeitsplatz sichergestellt?
• In Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten sind kleine, feste Arbeitsteams zu bilden.
o Welche Aufteilung ist hier wie sinnvoll?
o Wie können betriebsnotwendige Abläufe gestaltet werden, damit möglichst persönliche Kontakte unter den festen Arbeitsteams auf das absolut Notwendigste begrenzt werden?
• Können Arbeitszeiten entzerrt werden, um zeitversetzte Anwesenheiten zu ermöglichen und Kontakte zu vermeiden?
• Ergeben sich Änderungen zur bisherigen Gefährdungsbeurteilung? Sind diese dokumentiert?
• Sind ausreichend medizinische Gesichtsmasken (oder FFP2-Masken) oder gleichwertige Schutzausrüstung zur Verfügung?
• Ist für alle klar gestellt, wann Mitarbeiter am Arbeitsplatz einen medizinischen Mund-Nase-Schutz/Maske tragen müssen?
o Wenn Räume von mehreren gleichzeitig genutzt werden müssen.
o Der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten wird.
o Bei Tätigkeiten mit einem erhöhten Ausstoß von Aerosolen zu rechnen ist.
o Innerhalb des gesamten Gebäudes auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz.
• Sind die Mitarbeiter in der ordnungsgemäßen Handhabung des Mund-Nasen-Schutzes bzw. der Atemschutzmaske unterwiesen worden?
o z.B. durch fachkundiges Personal,
o Erklärvideos,
o Informationsmaterial, etc.
• Wird die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen im Betrieb auch regelmäßig kontrolliert und nachweislich sichergestellt?
Maßnahme Homeoffice/mobile Arbeit – Checkliste
Die sicherste Art der Kontaktreduktion im Betrieb ist sicherlich die Verlagerung der Tätigkeiten in die Wohnung des Mitarbeiters. Wir sprechen hier insgesamt im Sprachgebrauch immer von „Homeoffice“ – auch wenn es sich per Definition um „mobiles Arbeiten“ handelt. So hat gerade hier auch der Arbeitsschutz – nämlich mit der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (in der Fassung vom 20.08.2020) für Klarheit gesorgt.
Ganz wichtig vielleicht an dieser Stelle: Nach wie vor kann bisher weder Homeoffice noch mobile Arbeit vom Arbeitgeber Mitarbeitern einseitig angeordnet werden. Es unterliegt der freien Entscheidung der Mitarbeiter, ob sie ihre Tätigkeiten von zuhause aus wahrnehmen wollen.
Allerdings: der Arbeitgeber muss alles tun, um überhaupt zu ermöglichen, dass Tätigkeiten von zuhause aus erledigt werden können, wenn sie nicht zwingend von dem Betriebsort ausgeübt werden müssen. Dies wird bei den meisten Tätigkeiten, die im Büro verrichtet werden der Fall sein. Der Arbeitgeber muss also organisatorische und auch geeignete technische Maßnahmen ergreifen und ist verpflichtet, dem Mitarbeiter auch ein ernsthaftes Angebot für Homeoffice bzw. mobile Arbeit zu unterbreiten. Nimmt der Mitarbeiter dieses Angebot an, ist (so in der Begründung der Corona-Schutzverordnung) zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter eine vertragliche Vereinbarung zur Ausgestaltung der Arbeit von zuhause aus zu treffen .
Wichtig dabei: dies kann auch befristet sein. Z.B. könnten sich die Arbeitsvertragsparteien hier an der Geltung der aktuellen Corona-Arbeitsschutzverordnung orientieren. Die Parteien sind in der Ausgestaltung dieser Vereinbarung frei.
Ebenfalls wichtig: es besteht keine Vorgabe, einen Telearbeitsplatz gem. § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung einzurichten – also keinen dauerhaften Telearbeitsplatz in der Wohnung des Mitarbeiters. Ein Angebot auf mobile Arbeit für den in der Verordnung genannten Zeitraum ist ausreichend.
Check:
• Überprüfung wo Büroarbeit und vergleichbaren Tätigkeiten auch von der Wohnung des Mitarbeiters aus wahrgenommen werden können?
o Sind die Tätigkeiten geeignet, ggf. unter Verwendung digitaler und technischer Arbeitsmittel beim Beschäftigten in der Wohnung ausgeführt zu werden?
o Mit welchen technischen und organisatorischen Maßnahmen kann eine solche Verlagerung dieser Tätigkeiten in die Wohnung des Mitarbeiters unterstützt und/oder realisiert werden?
o Welche technischen Geräte und digitale Tools ermöglichen dies?
• Wo und welche zwingenden betrieblichen Gründe sprechen dagegen?
o B. Sicherheit des Arbeitsablaufes oder die Sicherheit im Betrieb ist wesentlich beeinträchtigt?
o Verursachung unverhältnismäßig hoher Kosten?
o Gibt es belegbare betriebstechnische Gründe?
o Müssen bestimmte Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes sichergestellt werden? Z.B. Postverteilung, Materialausgabe, etc. ?
• Sind die Voraussetzungen in der Wohnung des Mitarbeiters gegeben, dass dort auch die vertragliche Tätigkeit ausgeübt werden kann?
• Ist ein ausdrückliches nachweislich dokumentiertes Angebot an die Mitarbeiter erfolgt, bei möglichen Tätigkeiten diese von zuhause wahrzunehmen?
• Ist die Annahme oder auch Ablehnung durch den Mitarbeiter dokumentiert?
• Ist bei Annahme des Angebots seitens des Mitarbeiters eine vertragliche Vereinbarung getroffen, die die Ausgestaltung der Arbeit von zuhause aus regelt?
o Einzelvertraglich mit dem Mitarbeiter?
o Betrieblich z.B. über eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat?
Aktuelle Maßnahmen und Mitbestimmung
Und was ist mit der Mitbestimmung des Betriebsrates? Empfehlenswert – und auch im Sinne der Sache des Arbeits- und Gesundheitsschutzes empfiehlt sich hier immer ein gemeinsames Vorgehen und Kommunizieren der Betriebspartner. Darüber hinaus können sich Mitbestimmungsrechte z.B. ergeben aus:
• Der Überarbeitung der Gefährdungsbeurteilung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 7 BetrVG.
• Bei der Bestimmung und Auswahl der Arbeitsplätze bei der Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice bzw. mobiler Arbeit, gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 7 BetrVG.
• Bei der Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6, 7 BetrVG.
Fazit:
Die meisten der jetzt in der Verordnung geregelten Maßnahmen ergaben sich schon vorher aus den vorangegangen Regelungen und auch, wenn eine Gefährdungsanalyse – bzw. Beurteilung entsprechend sorgfältig vorgenommen wurde. So gesehen kommt hier eigentlich nichts wirklich überraschendes „Neues“. Neu ist die gewählte gesetzliche Form einer rechtsverbindlichen Verordnung für Arbeitgeber. Ob dies dazu führt, dass jetzt in der Kürze der Zeit (5 Tage bis zum Inkrafttreten, voraussichtlich der 27.1.2021) dann wirklich so viele Arbeitsplätze nach Hause verlagert werden und ob tatsächlich auch so viele Mitarbeiter davon Gebrauch machen möchten, wird sich dann zeigen.
Zumindest gibt es jetzt jedenfalls eine weitere gute Chance für alle Beteiligten die das wollen, jetzt auch Bürotätigkeiten und vergleichbare Tätigkeiten von zuhause aus machen zu können. Die Verordnung zwingt hier Arbeitgeber, die eigene Komfortzone zu überprüfen und sie unter Umständen zu verlassen. Und jede gemachte Erfahrung hilft hier Arbeitgebern genauso wie Mitarbeitern, daraus zu lernen und zukünftige Modelle von neuen Formen der Zusammenarbeit – insbesondere mobile Arbeit und flexible Arbeitszeiten – besser miteinander zu gestalten. Und letztendlich sich damit auch pandemiefest und zukunftsfähig in einer neuen Arbeitswelt aufzustellen.