Hybride Arbeit Britta Redmann

Hybride Arbeit – Sieben auf einen Streich

Inhalt

„Wir bieten flexible Arbeitszeiten und Homeoffice“
„Kombiniere deine Arbeit mit deinem Health & Fitness Programm“
Alles kann, nichts muss – so hören sich die Benefits in den Stellenangeboten oft an. Neue Mitarbeitende werden in Zeiten, in denen Menschen die wichtigste Ressource für viele Branchen geworden sind, mit einer breiten Palette flexibler Wohlfühlbausteine zum Job gelockt. Die hybride Arbeitswelt als Markt der Möglichkeiten darzustellen, auf dem sich Bewerbende den individuell passenden Strauß an Vergütungsbestandteilen zusammenstellen, halte ich für grundsätzlich attraktiv.

Aber wollen das wirklich alle Menschen?

Ist diese Vielfalt nicht auch überfordernd?
Ist sie vertraglich richtig und spiegelt sie nicht auch die Unsicherheit der Unternehmen in Bezug auf das, was sie an Kompetenzen und Fachkräften benötigen, wider?
Hybrides Arbeiten ist kein Bällebad. Der Arbeitsplatz heute und in Zukunft muss Menschen Sicherheit und Flexibilität gleichermaßen ermöglichen. Darum ist es nicht mit Freiheit und Benefits getan – hybrid meint eben das Beste aus beiden Welten…
Was kann diese Balance ausmachen? Ich nenne das meine sieben Do´s & Don´ts zum hybriden Arbeiten:

1. Rahmen schaffen

Zunächst einmal geht es natürlich um den Mitarbeitenden – um einzelne Menschen und ihre Bedürfnisse, wenn wir davon sprechen einen Rahmen zu schaffen, auf den man sich verlassen kann. Der Arbeitsvertrag ist dabei das individualrechtliche Dokument, das diesen Rahmen absteckt.
Die Arbeitswelt „drumherum“ muss aber ebenso geregelt werden. Wenn das Arbeiten in Präsenz und das mobile Arbeiten zusammentreffen, gilt es für jeden einzelnen Punkt einen neuen Rahmen abzustecken: Dabei geht es zum Beispiel um Technik/IT und Arbeitsmittel, um Führung und Zusammenarbeit und hier besonders die gegenseitigen Erwartungen an eine transparente und regelmäßige Kommunikation. Zu unserer Arbeitswelt gehören lebenslanges Lernen und Weiterbildungen zwingend dazu: wie treffen wir hier Vereinbarungen, ermitteln Lernbedarfe und wie evaluieren wir? Gerade der Bereich der Personalentwickung muss hybrid völlig neu gedacht werden sowohl was Budgets auf Seiten von HR angeht als auch was Lernzeiten für Mitarbeitende angeht.
Nicht zuletzt geht es auch darum Raumkonzepte neu oder anders zu denken. Hybride Arbeit kann nicht bedeuten, dass jeder zu jeder Zeit auch im Büro sein könnte – denn das würde bedeuten, dass Ressourcen im Übermaß vorgehalten werden müssten. Hybrid ist die „halbe Miete“ so hat es die Telekom gerade genannt und will am Standort Bonn die Büroflächen um 50% reduzieren. Die hybride Arbeitswelt bringt eine Veränderung globaler Rahmenbedingungen mit sich.

  • Don´t: „Alles kann, nichts muss“ wäre hier fatal.
  • Do: Alles kann, wenn der Rahmen rechtskonform festgelegt und transparent kommuniziert ist.

2. Arbeitsrechtliche Einordnung Mobile Arbeit, Homeoffice, Telearbeit

Ich wiederhole das gerne und immer wieder, denn die Wahl der richtigen Begrifflichkeiten bzw. das gleiche Verständnis davon, ist das A und O für eine gemeinsame Gestaltung von Hybrid Work.
Mobile Arbeit bietet den größten flexiblen Rahmen und kann wie folgt definiert werden:
„Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitet mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt.
Dagegen liegt mobile Arbeit nicht vor, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund deren Eigenart ortsgebunden erbringen muss.“
So auch die Definition in der BT-Drucksache zur Begründung der Mitbestimmungsnorm zu mobiler Arbeit im Betriebsverfassungsgesetz.
Homeoffice ist dabei eine Arbeitsleistung von zuhause aus, s.a. die Definition in SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (zuletzt in der Fassung vom 24.11.2021):
„Homeoffice ist eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zum Beispiel Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein.“
Telearbeit hingegen ist laut Legaldefinition gem. § 2 VII 1 ArbStättV:
„Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.“
Für alle gilt das Prinzip der Freiwilligkeit: es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die eine Pflicht zur Teilnahme oder einen Anspruch darauf vorsieht.
Wenn wir von mobiler Arbeit sprechen, müssen wir also immer definieren, was genau gemeint ist. Solange alles gut läuft, erscheint das beschränkend – im Fall von Streitigkeiten, Unfällen oder Missverständnissen kann eine solche Vereinbarung Gold wert sein. Jedes Unternehmen entwickelt gerade ein eigenes Verständnis von mobiler Arbeit.

  • Don´t: Alle flexiblen Arbeitsorganisationsformen in einen Topf werfen
  • Do: Festlegen, was hybride Arbeit im konkreten Fall beinhaltet und welche Definition gemeinsam festgelegt und verwendet wird.

3. Workation

Wenn wir nun leben und arbeiten verbinden – dann können wir auch gleich das Leben und unsere Arbeit mit unserem Urlaub verbinden. So entstand der aktuelle Begriff „workation“. Das wird oft auch gleichgesetzt mit „du kannst von überall aus arbeiten“ (#workfromanywhere). Gerade Startups propagieren, dass es ihnen quasi egal ist, von wo aus Menschen arbeiten und wie viel oder wie lange. Zeit und Ort sind nicht länger Messgrößen für Arbeit, sind aber nach wie vor wesentliche Bestandteile in Arbeitsverhältnissen und zwingende Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz. (Gerade seit dem Update des Nachweisgesetzes, das seit dem 1.8.2022 gilt, ist eine Nichtbeachtung für Arbeitgeber mit einem saftigen Bußgeld belegt.)
Soweit – so gut. Auch hier gilt wieder: der Erfolg heiligt die Mittel, der Misserfolg führt zu (arbeitsrechtlicher) Missstimmung.
Bei der Workation gilt es zu beachten: Anderes Land – andere Regelungen! Das gilt vom anzuwendenden Vertragsrecht bis zum Arbeitsschutz über die Frage, ob der Beschäftigte dann krankenversichert ist bis zur Lohnsteuer und einiges mehr. Der Umfang bzw. die Dauer des Auslandsaufenthalts sind genauso ein entscheidender Faktor wie die (arbeits-)rechtlichen Bestimmungen des betreffenden Landes, in das gereist wird. Die Frage ob eine Arbeitserlaubnis erforderlich ist sollte im Vorfeld genauso geklärt sein wie Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Belange.
Im Detail könnt ihr hierzu auch den umfassenden Blogartikel zum Thema Workation https://www.britta-redmann.de/mobiles-arbeiten-war-gestern-workation-ist-heute/ lesen.

  • Don´t: Workation ist kein Freifahrtschein für Urlaub und Arbeiten in allen Ländern der Welt.
  • Do: Die Prüfung des Einzelfalls ist entscheiden sowie darauf basierend eine individuelle Vereinbarung schaffen für beide Seiten Rechtsklarheit und Sicherheit.

4. Mitbestimmung des Betriebsrats

So flexibel die neue Arbeitswelt ist: die Mitbestimmung des Betriebsrates bei mobiler Arbeit ist zwingend! Hierzu gibt es mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG seit Juni 2021 eine eigene Norm.
Zur Übersicht:

Es lohnt sich nicht nur sondern ist auch absolut erforderlich, den Betriebsrat direkt mit an den Tisch zu holen, wenn die Entscheidung getroffen ist, mobil im Unternehmen zu arbeiten. Zudem kennt er kennt die Bedürfnisse der Mitarbeitenden noch einmal aus einer anderen Perspektive als der Arbeitgeber, was bei der Ausgestaltung der Details ein echter Gewinn ist. Und je mehr Perspektiven auf gemeinsame Regelungen schauen, desto eher werden diese gut und tragfähig für alle!

  • Don´t: Verträge oder Betriebsvereinbarungen am Betriebsrat vorbei flexibilisieren.
  • Do: Den Betriebsrat und seine wertvolle Expertise frühzeitig einbinden.

5. Unfallschutz/Versicherungsschutz

Im letzten Jahr gab es hierzu eine wichtige Änderung der Rechtslage beim Unfallversicherungsschutz bei mobiler Arbeit und im Homeoffice. § 8 Abs. 1 u.2 Nr. 2a SGB VII sieht nunmehr den gleichen Schutz für Arbeitnehmer vor, egal ob sie mobil arbeiten oder am Arbeitsplatz in ihrer Unternehmensstätte tätig sind. Damit entfällt das bis dato sehr lästige als auch absolut lebensfremde Abstellen auf die Motivation im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles. Hier hat sich also der Prüfaufwand wesentlich erleichtert und ist der Lebenswirklichkeit angepasst worden. Z.B. sind jetzt auch „Biowege“ (der Weg, um ein Getränk zu holen oder um auf Toilette zu gehen) mitversichert. Nach wie vor nicht mitversichert sind Gefahrquellen, wie z.B. Baustellen oder sonstige Stolperfallen in der Wohnung des Mitarbeiters, denn diese liegen eindeutig außerhalb des Verantwortungsbereiches des Arbeitgebers.
Ebenfalls sehr erfreulich, dass im Rahmen der Änderung des Versicherungsschutzes der Unfallschutz auch auf Wege erweitert wurde, die von Mitarbeitenden aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zur außerhäuslichen Betreuung ihrer Kinder zurückgelegt werden. Wenn also jemand seine Kinder von der Schule abholt oder zur Kita bringt und dies vom Homeoffice aus tut oder dorthin zurückkehrt, so handelt es sich hierbei jetzt um einen Arbeitswegunfall. Auch das eine Regelung, die auf unsere Lebenswirklichkeit einzahlt und den vielen Eltern gerecht wird.

  • Don´t: Denken, dass es auf die Motivation beim Unfall ankommt und im Zweifel kein Arbeitsunfall vorliegt, weil es
  • zuhause passiert.
  • Do: Neuen Unfallschutz beachten und anwenden.

6. Arbeitsschutz

Anderer Ort – anderer Arbeitsschutz? So ist es – zum Glück nicht . Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Beschäftigten eine Fürsorgepflicht, die genauso im Büro wie auch beim mobilen Arbeiten gilt. Das heißt, er sollte mitbekommen, wie es den Menschen im Unternehmen geht – physisch und psychisch.
Diese Aufgabe hat sich nicht verändert, verändert haben sich „nur“ die Umstände, so dass es nicht mehr „automatisch“ passiert, dass Führungskräfte mitbekommen, wie es den Teammitgliedern geht, wenn diese eben nicht mehr regelmäßig anwesend sind oder eben nicht mehr alle gleichzeitig anwesend sind. Es geht daher darum, die Aufgabe Arbeitsschutz anders zu lösen als wie bisher und das bedarf viel mehr Aktivität seitens der Führungskräfte … und natürlich auch ein Mitwirken seitens der Mitarbeitenden.

  • Don´t: Den Arbeitsschutz auf die Büroräume bzw. die Arbeitsstätte beschränken.
  • Do: Mit den Mitarbeitenden aktiv einen „digitalen“ Arbeitsschutzkodex abstimmen: Konkret nachfragen, wie es dem anderen geht, eine abstrakte Gefährdungsbeurteilung auch beim mobilen Arbeiten durchführen und den Arbeitsschutz in Meetings oder Gesprächen regelmäßig zum Thema machen.

7. Datenschutz

Das wichtige Budgetgespräch am Küchentisch und die Kinder wollen Mittagessen. Ein Meeting aus dem Zug heraus. Die Nutzung des ungesicherten Hotel WLANs. Die Entsorgung von Dokumenten im Hausmüll: Homeoffice birgt viele Gefahren in Sachen Datenschutz. Was hier auf den ersten Blick komplex klingt, ist jedoch ganz klar geregelt: Auch bei mobiler Arbeit gelten die gleichen Bestimmungen und Anforderungen wie im Büro. Das gilt für den Arbeitgeber – der nach wie vor für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlich ist – genauso wie für die Mitarbeitenden, die den Datenschutz einhalten müssen.
Insofern kann mobiles Arbeiten auch eine gute Gelegenheit sein, in dem Zusammenhang noch einmal für die wesentlichen Regelungen zu verweisen und in Abständen immer wieder dafür zu sensibilisieren.

  • Don´t: Mitarbeitende mit dem Thema Datenschutz allein lassen.
  • Do: Regelmäßig sensibilisieren und schulen. Hochvertrauliche Themen besser in Präsenz besprechen, wenn möglich.

Fazit:

Hybrides Arbeiten stellt den Faktor Mensch in den Mittelpunkt und es macht ihn auch zum Hauptakteur, wenn es um die „richtigen“ Verhaltensweisen geht. In der Zusammenarbeit geht es mehr denn je darum unternehmerische Notwendigkeiten und menschliche Bedürfnisse zusammenbringen. Die richtige Balance aus Regelung und Flexibilisierung schafft Transparenz und Verbindlichkeit. Und das wiederum schafft Verlässlichkeit und Vertrauen.
Vertragliche & rechtliche Regelungen geben einen klaren Handlungsrahmen und können eine hybride Kultur positiv prägen!

Quellen/Hinweise:

BT-Drucksache 19/28899 Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG

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